Sennentuntschi: Debakel kommentiert

Könnte ein Quantum Trost gebrauchen: Michael Steiner im Finanzfegefeuer
Könnte ein Quantum Trost gebrauchen: Michael Steiner im Finanzfegefeuer

Für Michael Steiner und sein Sennentuntschi ist es eng geworden. Gestern hat die Sonntagszeitung die nicht mehr taufrische Geschichte neu aufgekocht. Ein Loch von 2.8 Millionen habe die Produktion, bei einem Gesamtbudget von 5.5. Mio. Da stellt sich zwar auch die Frage nach den Dimensionen. Aber:

  • Es handelt sich zwar um grosse Zahlen im Hinblick auf eine Schweizer Produktion. Sie sind aber fast schon lächerlich im Vergleich zu jenen europäischer und US-amerikanischer Produktionen.  Die fehlenden 2.8 Mio. sind ebenfalls lächerlich im Hinblick auf die fehlenden Milliarden der Banken und Pensionskassen allenthalben.
  • Es gibt gebräuchliche Obergrenzen für die Fördersummen welche das BAK, die Zürcher Filmstiftung oder auch die SRG sprechen können. Die wurden eingehalten, allerdings wurden die gesprochenen Gelder offenbar ausbezahlt, ohne weitere Rückversicherung im Hinblick auf die restlichen budgetierten, versprochenen Summen und ihre Quellen
  • Es handelt sich um überaus komplexe Systeme, wenn es um europäische Fördergelder geht (die werden in der Regel erst nach Produktionsende ausbezahlt, werden aber selbstverständlich von jeder Produktion ins Budget integriert, so bald sie zugesichert sind.
  • Vorverkäufe sind ein gebräuchliches Mittel bei der Filmfinanzierung. Oft handelt es sich dabei aber eher um Zusagen als um bare Kredite. Und Zusagen platzen je nach globaler Wirtschaftslage leicht.

Die neuralgischen Punkte rund um das Sennentuntschi sehen anders aus, je nach Perspektive. Für Michael Steiner und seine Produktionsfirma zur Zeit wohl so:

  • Das Budget von 5.5 Mio wurde um 4.5% überzogen, also um rund 250‘000 SFr.
  • 1.9 Mio. wurden ausbezahlt (BAK 1 Mio., Zürcher Filmstiftung 600‘000 , SRG 300‘000) also fehlen 2.8 Mio. die offenbar zu einem guten Teil auch bereits Gläubigern geschuldet sind (Schauspielern, Technikbetrieben)

Bundesfilmchef Nicolas Bideau muss sich vorwerfen lassen, er hätte gesprochene Gelder nicht ausbezahlen dürfen, solange die Kofinanzierung nicht gesichert war. Allerdings gälte der gleiche Vorwurf, wenn er zuträfe, auch für die Zürcher Filmstiftung und die SRG. Nun müsste Bideau theoretisch mit einem Nachtragskredit zur Rettung eilen, wenn er nicht riskieren will, dass die ausbezahlten Gelder völlig verloren gehen. Das wäre allerdings ein Schlag ins Gesicht für alle korrekt und vorsichtig arbeitenden Produzenten. Gleichzeitig ist Bideau ohnehin unter Beschuss, von Seiten der Regisseure und Autorenfilmer ebenso wie von der Mehrheit der Mitglieder des einen der beiden Produzentenverbände, dem SFP.

Für die Filmbranche wäre die Geschichte ideal, um den umstrittenen Bideau weiter zu beschiessen, wenn die ganze Sache nicht gleichzeitig die gesamte Branche in Verruf bringen und politisch zu einem klassischen Backlash in Sachen Filmförderung führen könnte. Zudem ist Michael Steiner ist grundsätzlich unter seinen Kolleginnen und Kollegen gut gelitten, niemand will ihm persönlich schaden; auf einen Erfolg der Lokomotive Sennentuntschi haben fast alle gehofft.

Und besonders ein Punkt ist paradox: Die unangenehme Situation, in der sich Michael Steiner und seine Kontraproduktion befinden, dient niemandem als Argument im schwelenden Streit zwischen Produzenten und Autorenfilmern. Ist Steiner jetzt ein Filmautor, dem der seriöse Produzent gefehlt hat? Oder ist seine Firma eher ein Beispiel für die dynamischen Produzenten, welche die Autoren zu mehr Wirtschaftlichkeit anhalten sollen, wie es Bideau gerne propagiert?

Zusammenfassend kann man sagen: Der Scherbenhaufen zieht zwar dauernd neue Vorwürfe und Gegenvorwürfe nach sich, aber so richtig dienlich ist das Debakel niemandem. Allerdings: Das kulturpolitische Geschirr, das in den nächsten Wochen dabei zerschlagen werden könnte, ist beträchtlich.

Ein kleines Moderationsgespräch von heute dazu, von DRS2aktuell:

5 Antworten auf „Sennentuntschi: Debakel kommentiert“

  1. Dieser Fall ist die klassische Definition einer Zwickmühle. Damned if you do, damned if you don’t. Fortsetzung folgt.

    Im «Tagi» wurde Steiner letzte Woche gefragt, ob er «Grounding 2» über die Bankenkrise drehen möchte. Dabei liefert schon das Grounding von «Sennentuntschi» reichlich Stoff.

    Die Lösung des Problems: Die Banker liefern ihre sowieso unverdienten Boni des letzten Jahres an Kontraproduktion ab, dann hat Steiner auch gleich die Finanzierung seiner zukünftigen Werke gesichert.

  2. Wenn diese Jungproduzenten schon jetzt insolvent sind, wo doch die Postproduktion noch gar nicht abgeschlossen ist: wer sollte da noch in diese künstlerisch notorischen Nonvaleurs investieren wollen? Wenn die Ko-Finanzierung auf soliden Verträgen basierte, sollen diese sauberen Produzenten eben klagen. Mit Bideau, der das ganze (wohl blind wegen akuter Lokomotivengeilheit) mitverantwortet, muss man kein Mitleid haben: er kann ja seine Bonusse zurückzahlen, dh. in den Diplomatenstand zurücktreten und sich als Schwatzattaché nach Taschkent strafversetzen lassen.

  3. Nachtrag:
    die Österreichische Koproduzentin Superfilm verrät auf ihrer ansonsten sich anonym haltenden Website ihr Geschäfstmodell:
    «Es gibt keinen Plan. Nur die Hoffnung, dass es funktionieren wird.»

  4. Wir haben ein funktionierendes Drehbuch, mit Hans Schenker, Isabelle von Siebenthal usw. eine tolle Besetzung, wir haben ein Marketingkonzept etc. Was wir nicht haben: Einen müden Rappen vom Bund. Abgelehnt mit Argumenten fernab jedes gesunden Menschenverstands. Na gut, schiesst 2 oder 3 Mio. ins „Sennentuntschi“. Aber überlegt Euch danach für die Zukunft, ob das Filmland Schweiz mehr profitiert von einer riesigen Finanzspritze in ein einziges Projekt oder von kleineren Summen für mehrere spannende Projekte. Wir wären mit ein paar 10’000 Franken zufrieden gewesen… „Hallo Suomi!“ wird sowieso gedreht – BAK hin oder her. Und wer weiss, vielleicht sind wir noch vor dem „Sennentuntschi“ im Kino.

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