Cannes 09: Fish Tank

Im Wettebwerb: Fish Tank von Andrea Arnold
Im Wettbewerb: 'Fish Tank' von Andrea Arnold

Mit Red Road hat die Britin Andrea Arnold 2006 den Jury-Award in Cannes gewonnen. Das CCTV-Drama zeugte von grossem Talent und grosser Ambition. Das gleiche kann man nun auch von Fish Tank sagen, dem ersten der drei Beiträge von Frauen im diesjährigen Wettbewerb (die anderen sind Jane Campion und Isabelle Coixet). Talent wird in jeder Einstellung sichtbar, die Ambition zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Arnold den Problemen ihrs Films nicht ausweicht. Die Geschichte der 15jährigen Mia hätte auch einen Ken-Loach-Film abgegeben. Die aggressive junge Frau lebt mit ihrer eben so aggressiven Mutter und der kleinen Schwester in einer dieser ‚projects‘-Wohnungen, hat sich mit ihrer Freundin überworfen und ist verwirrt darüber, dass der neue Freund ihrer Mutter sie nicht nur ernst nimmt, sondern offensichtlich bemüht ist, auf sie einzugehen.

Allerdings kommen hier die Fäden dann schnell dick zusammen. Während die Annäherung des Mannes an den Teenager und das langsame Auftauen des Mädchens eindrücklich und einleuchtend inszeniert sind, mit dokumentarischer Kamera und beeindruckender Beleuchtungsmagie in Schlüsselmomenten, kippt die Geschichte nach einer Stunde zu heftig (oder zuwenig heftig), wenn es zum betrunkenen Sex der beiden auf der Wohnzimmercouch kommt. Denn danach rasselt der Film ziemlich vor sich hin. Der Mann verzieht sich am nächsten Morgen, der Teenager macht sich auf die Suche nach ihm und entdeckt ein Doppelleben mit Vorstadtidyll, Frau und Kind. Die Stärke des Films ist die Konzentration auf die Perspektive des Teenagers, zu den Schwächen gehört aber leider auch, dass Arnold sich der Fussfallen ihrer Inszenierung bewusst ist und hin und wieder überkompensiert. Wenn zum es zum Beispiel beim endgültigen Abschied des Mädchens von Zuhause zu einem melancholischen Tanz der drei Frauen im Wohnzimmer kommt, dann ist das zunächst schlüssig, dann erinnert es plötzlich an die einschlägigen Szenen in amerikanischen Genrefilmen (die Tanznummer in der Küche). Und wie um das aufzufangen, schneidet Arnold in dem Moment auf den Familienhund in seinem Korb, der irritiert grunzt und mit dem Kopf wackelt. Dieses Augenzwinkern zwischen Autorin und Publikum wirft einen völlig aus der Szene, so meisterlich es als einzelner Moment auch inszeniert ist. Andrea Arnold bleibt ein Ausnahmetalent. Aber man wünschte ihr eine Produzentin, welche die Ambitionen bremst und ihre Geschichten reduziert. Peter Greenaways Produzent Kees Kasander und das Team von BBC-Films haben ihr vielleicht nach ihrem Cannes-Gewinn etwas zu viel Freiraum gelassen. Oder zu wenig Zeit für eine gründlichere Drehbuchentwicklung.

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