Diagonale 10: DER KAMERAMÖRDER

Ursina Lardi, Dorka Gryllus, Andreas Lust, Merab Ninidze in 'Der Kameramörder'
Ursina Lardi, Dorka Gryllus, Andreas Lust, Merab Ninidze in 'Der Kameramörder'

Es ist ein Kreuz mit den Eröffnungsfilmen. Schliesslich müssen die neben den Hardcore-Cinephilen auch noch die Frau des stellvertretenden Bürgermeisters ansprechen, den Staatsratsvorsitzenden und seine Enkelin, und seine Exzellenz, den Botschafter des koproduzierenden Nachbarlandes. Mit der Verfilmung eines erfolgreichen Buches ist man wohl schon mal einen Schritt näher beim Publikumskino. Aber was Robert Adrian Pejo mit seinem Team da aus dem gleichnamigen Buch von Thomas Glavinic gebastelt hat, ist eher ein Showreel für talentierte Leute, ein bunter Strauss dramatischer Andeutungen, aber ohne psychologische Entwicklung, dramatische Logik und vor allem ohne zwingenden Bogen.

Zwei befreundete Paare treffen sich für ein gemütliches Osterwochenende im Designerhaus am Neusiedlersee. Dass die beiden Männer und die eine Frau eine lange gemeinsame Vergangenheit haben, ist der neuen Freundin des Hausbesitzers zunächst kein Dorn im Auge, aber das wird sich ändern. Dass drei Kinder in der Umgebung verschwunden sind, wird auch erst bedeutsam, als einer der beiden Männer von einem Snuff-Video erzählt, das er online gesehen haben will und in dem er einen markanten ehemaligen Wachturm in der Nähe des Hauses wieder erkannt hat. Die wechselnde Konstellation der vier, das Drama um die verschwundenen Kinder und die Faszination mit dem Video sind Spannungselemente, von denen man rasch begreift, dass sie tragende Bausteine einer komplexen Geschichte darstellen. Bloss die Geschichte will sich nicht einstellen. Szene für Szene wird plausibel ein Binnenbogen errichtet, eine Paarkonstellation getestet, Verdachtsmomente werden gestreut, dick wie Überraschungseier und doch irrelevant. Denn die Figuren torkeln zwischen Beruhigung und Verdächtigung hin und her, ohne dass man den überzeugenden Schauspielerinnen und Schauspieler dabei einen Vorwurf machen könnte. Das Problem ist viel eher die Dramaturgie, welche keinen richtigen Mehrakter hinkriegt, keine zwingende Entwicklung.

Merab Ninidze, Dorka Gryllus in 'Der Kameramörder' von Robert Adrian Pejo
Merab Ninidze, Dorka Gryllus in 'Der Kameramörder' von Robert Adrian Pejo

Das dramatische Geplänkel zwischen den vier Erwachsenen erinnert an Stina Werenfels‘ Nachbeben, kommt aber nicht einmal ansatzweise in die Nähe der dortigen plausiblen Figurengeschichte. Die zwei Männer und die beiden Frauen in Der Kameramörder mögen alle ihre Vorgeschichte haben, sie wird sogar brockenweise eingestreut, aber die Brocken tragen nichts dazu bei, den Figuren Konturen zu geben. Allenfalls die beiden Frauen bekommen ein gewisses Profil, insbesondere Ursina Lardi schafft es, eine Verzweifelte zwischen hysterischem Lachen und kühler Distanz zu zeichnen. Es scheint zum Konzept des Films zu gehören, dass uns die Figuren fremd bleiben, dass wir immer wieder erneut anhand einiger Indizien von Szene zu Szene neu zu tüfteln beginnen müssen. Aber das bleibt ein hilf- und lustloses Unterfangen. Der Kameramörder bemüht sich um Abstraktion und Reduktion, bemüht aber gleichzeitig Hinweise und Indizien, die auch in jedem Fernsehkrimi so eingesetzt werden könnten – aber ein Fernsehpublikum dürfte die Geduld mit diesem Film schnell verlieren. Im Kino dagegen hangle ich mich von Szene zu Szene, bewundere den Einsatz der Schauspieler, die makellose Kameraarbeit, das extra gebaute Designerhaus. Vielleicht liegt der Irrtum dieses Films darin, dass er versucht, dysfunktionale Beziehungen mit dysfunktionalen Szenenfolgen nachzubauen. Das erzeugt durchaus Unbehagen. Aber dabei bleibt es dann auch.

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