Locarno 10: LA PETITE CHAMBRE von Stéphanie Chuat & Véronique Reymond

Florence Loiret Caille, Michel Bouquet

Edmond ist alt, starrköpfig und alleine in seiner Wohnung. Seine Frau ist schon eine Weile gestorben, sein Sohn will eine Amerikanerin heiraten und für eine Weile in die USA ziehen. Seinen Vater sähe er lieber in einem Altersheim. Rose ist eine Spitex-Pflegerin. Sie hat ihr Kind im achten Monat verloren und mit dem Kind auch einen Teil ihrer Verankerung in der Welt. Im Gegensatz zu Edmond hat diese schweizerisch-luxemburgische Koproduktion ein starkes Herz und zwei Regisseurinnen. Und mit dem unverwüstlichen Michel Bouquet sowie Florence Loiret Caille zwei Darsteller, die auch eine mindere Konstellation mit Leben füllen würden.

Die Paarung eines sterbens-müden, bitteren alten Mannes mit Kindern oder jungen Frauen ist ein Topos nicht nur des Kinos. Vom kleinen Lord bis zum selbstsüchtigen Riesen funktioniert diese Geschichte fast schon paradigmatisch. Aber Rose und Edmond, die beide mit ihrem nicht verkrafteten Verlust alleine sind, helfen sich gegenseitig mit ihrer Starrköpfigkeit wie Doppelgänger zwischen Licht und Schatten. Die Filmautorinnen kennen sich offenbar seit ihrer Schulzeit, haben gemeinsam eine Schauspielerinnenausbildung absolviert und dabei angefangen, zu filmen. Dass ihr Film vor allem von den Schauspielern getragen wird, ist insofern nicht überraschend, selbst dann nicht, wenn man zugeben muss, das Michel Bouquet einzelne Szenen fast auf Autopilot spielt: Bouquets Autopilot ist noch immer um Welten stärker als der Volldampf vieler jüngerer Kollegen.

Dass die ziemlich schnörkellos und linear erzählte Geschichte funktioniert, liegt allerdings weniger am sichtlich getrimmten und gestrafften Drehbuch, sondern in erster Linie an der sehr sorgfältigen Produktion. Bis ins letzte Detail sind da Profis am Werk, die von den Nebenrollen bis zur Ausstattung und dem Musikeinsatz alles gerade so weit überhöhen, dass es überzeugt. Es entsteht der Eindruck, die beiden talentierten Filmemacherinnen hätten sich in guten Händen befunden und das in sie gesetzte Vertrauen mit verdientem Vertrauen in ihr Team ergänzt. Dieser Schweizer Beitrag im diesjährigen Wettbewerb von Locarno braucht sich nicht zu verstecken. Im Gegenteil. im Moment sieht es sogar so aus, als ob mit ihm der Wettbewerb endlich ein erfreuliches Niveau erreicht hätte.

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