Berlinale 11: TRUE GRIT

'True Grit' © Universal Pictures International (Schweiz) GmbH

Es sei nicht beabsichtigt gewesen, einen Western zu drehen, sagte Joel Coen anlässlich der Pressekonferenz zur Eröffnungsvorstellung des Films True Grit. Sie hätten lediglich ein Buch verfilmt, dessen Geschichte halt in Arkansas in den 1870er Jahren spiele, und das sei halt nun zwangsläufig im „Wilden Westen“. Aber ihr Film sei eigentlich ein „Western aus Zufall“. Absicht oder Zufall – der Film der Coen Brüder IST ein Western. Und was für einer. Zusammen mit ihrem Stamm-Kameramann Roger Deakins haben sie (wiedermal) ein Werk geschaffen, in dem jedes Bild episch ist, jede Textzeile sitzt und in dem die Figuren echte Charaktere sind. Und dass Jeff Bridges locker den übermächtigen Western-Helden John Wayne vergessen spielt, war zu erwarten – da hätte es nicht die mantragleichen Bemühungen der Coens gebraucht, sich vom gleichnamigen Film von 1969 zu distanzieren. Sie hätten den Film nie geschaut und kaum gekannt, betonten die Brüder – Vorlage sei lediglich der Roman (Charles Portis, 1968) gewesen. Man mag dies glauben oder nicht (einige Bilder und ganze Szenen sind verdächtig dem Vorgänger ähnlich);

aber was Joel und Ethan Coen hier gedreht haben, ist tatsächlich ein ganz anderer Film. Ein echter Coen halt. Mit Antihelden, skurrilen Gestalten wie etwa einem umherziehenden (weissen) Mediziner im Bärenfell, mit spärlich eingesetzter Komik und lakonischen Momenten, die dann doch Lachstürme zu produzieren vermögen. Gerahmt wird der Film von den Erzählungen einer Frau, die sich 25 Jahre später an die Vorkommnisse erinnert. Die damals 14jährige Nettie (Hailee Steinfeld) möchte gerne den Mörder ihres Vaters finden und bestrafen. Nicht aus übermässigen Rachegelüsten, sondern der Buchhaltung wegen, der die Neunmalkluge sich verpflichtet fühlt. Ein Verbrechen muss gesühnt werden, sonst geht die Rechnung nicht auf. Dazu sucht sie sich den todsichersten Helfer aus: Marshall Rooster Cogburn (Jeff Bridges), der wenig vom offiziellen Recht und viel von Selbstjustiz hält. Der dritte im Bund ist ein clownesker, dauerquasselnder Texasranger (Matt Damon). Richtig heldenhaft ist keiner der drei und ihr Weg durch das Indianergebiet ist mehr eine Folge von Missgeschicken, Streitereien und schrägen Begegnungen als eine heldenhafte Tour in Richtung Gerechtigkeit. Was dann ganz am Ende wirklich gesiegt hat – 25 Jahre später – ist… eigentlich gar nichts ausser der Gewissheit Netties, eine von vielen Rechnungen in ihrem Leben beglichen zu haben. Und die Westerngeschichte von True Grit wird zur marginalen Episode im Leben einer Buchhalterin, die nie geheiratet hat und auch die (Anti-)helden von damals nie wiedergesehen hat. Ein neuerlicher Geniestreich der etwas verrückten Brüder: True Grit ist tatsächlich gleichzeitig grosses Westernepos und die komplette Demontage des Genres in einem.

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