Locarno 12: POLVO von Julio Hernández Cordón

Polvo 2

Die schwersten Themen ergeben nicht immer die besten Filme. Mit diesem Schmerzensstück aus Guatemala finden wir im Wettbewerb von Locarno wieder einmal eine jener berüchtigten Produktionen, die aus entwicklungspolitischen Erwägungen heraus mit Geldern aus Europa zustande kommen (unter anderem von der DEZA). Wogegen nicht grundsätzlich etwas einzuwenden wäre, käme nicht immer gleich der Verdacht auf, das sei auch der Grund dafür, dass sie von einem Festival programmiert werden.

Ist ein Film wirklich gut, sträubt sich niemand gegen Unterstellungen. Aber im Fall von Polvo (Staub) wirkt das im diesjährigen qualitativ hochstehenden Wettbewerb von Olivier Père fast schon wie ein Rückfall in frühere Locarno-Zeiten. Die Suche nach den Überresten der Männer, welche im guatemaltekischen Bürgerkrieg von 1982 verschwanden, bildet den Hintergrund der Geschichte eines jungen Paares, das an einem Dokumentarfilm über eben diese Suche arbeitet.

Polvo 1

Das ist schon von der erzählerischen Struktur her nicht allzu originell (bis auf die erste Einstellung: Die zeigt einen Mann in einer Baumkrone im Wald, mit seufzendem Wind, und für Sekunden wähnt man sich in einem Film von Jurypräsident Weerasethakul). Dass Frauen nach den Skeletten ihrer Männer suchen, und Männer nach Spuren ihrer Väter, das wird sehr deutlich und hin und wieder auch schmerzlich spürbar. Und Juan, der Sohn von Delfina, den das filmende Paar als Protagonisten ausgewählt hat, ist nicht immer gleich kooperativ.

Einerseits hat er schon etliche Selbstmordversuche hinter sich, andererseit treibt ihn auch der Groll gegen den Mann, der angeblich vor 16 Jahren seinen Vater an dessen Mörder verraten hat. die Figuren bewegen sich zwischen Dorf und Wald und Militärlager. Wer die Knochen eines Angehörigen gefunden und ausgegraben hat, feiert das mit Feuerwerk und Böllern. Und über allem schwebt eine latente Gewaltbereitschaft, eine permanente Wut, welche Juan schliesslich auch ganz gezielt nutzt.

Der Film schafft es durchaus, dieses Gefühl einer grossen, unverarbeiteten kollektiven Verletzung spürbar zu machen. Aber er vermittelt keine Einsicht in die Vergangenheit und nicht den geringsten Einblick in die Mechanik der Gegenwart. So bleibt vor allem Langweile, eine Langweile notabene, derer man sich sehr schnell zu schämen beginnt. Und auch das nimmt einen nicht für den Film ein.

Polvo 3

 

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