Venedig 14: THE CUT von Fatih Akin

Tahar Rahim in 'The Cut' © 2014 Pathé Films
Tahar Rahim in ‚The Cut‘ © 2014 Pathé Films

Gleich zwei Regisseure haben im internationalen Wettbewerb von Venedig Filme, die eine Trilogie abschliessen. Zum einen der Schwede Roy Andersson, zum anderen der deutschtürkische Regisseur Fatih Akin. The Cut heisst sein Film, ein Epos über einen Armenier, der den Völkermord 1915 fast wundersam überlebt und Jahre damit verbringt, seine Zwillingstöchter zu suchen. Dabei reist er einmal um die halbe Welt.

Liebe, Tod und Teufel, das ist Akins Trilogie (nicht zu verwechseln mit Glaube, Liebe, Hoffnung des Österreichers Ulrich Seidl). Mit dem Thema Liebe begann er vor 10 Jahren 2004, Gegen die Wand war die Geschichte einer jungen Türkin in Deutschland, die eine Scheinehe eingeht, um der moralstrengen Familie zu entgehen. Es folgte zum Thema „Tod“ 2007 der Film Auf der anderen Seite, ein dreiteiliger Film über drei Familien türkischer und deutscher Herkunft. Und nun also der Teufel im Wettbewerb von Venedig im Film The Cut.

Tahar Rahim in 'The Cut' © 2014 Pathé Films
Tahar Rahim in ‚The Cut‘ © 2014 Pathé Films

Es ist aber keine teuflische Gestalt, die in Akins Film im Zentrum steht, sondern ein gläubiger Armenier, der so viel Schlimmes erleben muss (und dabei wundersam immer und immer wieder überlebt), dass er ob all diesen Schrecken irgendwann nicht mehr an den Guten Gott glauben mag. Der Film erzählt die zehnjährige Odyssee des Schmieds Nazaret, der von türkischen Soldaten im ersten Weltkrieg erst als Zwangsarbeiter verschleppt wird, dann einer Massenermordung entkommt, als Flüchtling im syrischen Aleppo lebt und nach Ende des Kriegs seine überlebenden Zwillingstöchter sucht – auch Übersee.

© 2014 Pathé Films
© 2014 Pathé Films

Das Drehbuch hat Akin zusammen mit dem armenischstämmigen Hollywood-Veteran Mardik Martins geschrieben, ein enger Weggefährte Martin Scorseses. Um den Film gab es im Vorfeld schon Aufregung: ultranationalistische Kreise in der Türkei hatten gegen das Filmprojekt protestiert und Akin bedroht. Der Genozid an den Armeniern ist in der Türkei noch ein wenig verarbeitetes Tabuthema.

'The Cut' © 2014 Pathé Films
‚The Cut‘ © 2014 Pathé Films

Wenn man etwas kritisieren will, muss man den Teufel im Detail suchen. Ausgestattet ist der Film wunderschön, und die Bilder von armenischen Flüchtlingslagern, in denen die Menschen wie Fliegen sterben, Bilder von Männern, die reihenweise mit dem Gesicht zur Wand umgebracht werden sind krass und prägen sich ein. Aber die Entscheidung, die Armenier im Film Englisch mit starkem Akzent sprechen zu lassen, während alle anderen ihre eigene Sprache sprechen, die Türken türkisch, die Syrer arabisch, die Kubaner spanisch, besonders absurd wird das, wenn der Film dann in den USA spielt. Das nimmt dem Film ein grosses Stück Authentizität weg. Das ist schade, liegt aber vermutlich daran, dass nicht alle Darsteller von Armeniern tatsächlich Armenier sind. Dieses Englisch mit armenischem Akzent ist aber so irritierend und störend, dass es eine zu grosse Distanz zum Film aufbaut- und die Brutalität der Geschehnisse verlieren etwas ihre Unmittelbarkeit und Brisanz hinter diesem nicht authentischen Sprachengewirr.

© 2014 Pathé Films
© 2014 Pathé Films

Irgendwie fehlt dem Film diese Wucht und Direktheit des früheren Kinos von Akin – dafür beweist er mit The Cut eindrücklich, dass er auch ganz grosse Themen und Epen meistern kann.

Kinostart Deutschschweiz: 16. Okt.2014

Fatih Akin © 2014 Pathé Films
Fatih Akin © 2014 Pathé Films

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