Locarno 15: LA BELLE SAISON von Catherine Corsini (Piazza Grande)

Izïa Higelin und Cécile de France ©  Cineworx
Izïa Higelin und Cécile de France © Cineworx

Es ist 1971 und die 23jährige Delphine ist vom Bauernhof nach Paris gezogen – weil ihre heimliche Liebe im Dorf meinte, die Mädchenzeit sei schön gewesen, aber es sei Zeit, erwachsen zu werden, und einen Mann geheiratet hat.

In Paris gerät Delphine mitten unter die bewegten jungen Frauen, hilft bei Protestaktionen gegen die Pahllokraten und männerdominierte Institutionen, und verliebt sich in die 35jährige Carole (Cécile de France). Die lebt zwar seit Jahren mit Manuel zusammen, ist aber nach ihrem ersten Schock völlig entflammt. So sehr, dass sie Delphine aufs Land nachreist, als deren Vater einen Schlaganfall erleidet und den Hof nicht mehr bewirtschaften kann. Aber auf dem Land, da sind die Tabus noch stärker, auch jene, welche Delphine verinnerlicht hat.

Cécile de France und Izïa Higelin ©  Cineworx
Cécile de France und Izïa Higelin © Cineworx

Es ist, als ob die französische Schauspielerin und Filmemacherin Catherine Corsini dem vom Mann Abdellatif Kechiche inszenierten La vie d’Adèle einen Film von einer Frau hätte entgegenhalten wollen. Das ist zugleich nostalgischer und wohl auch realistischer als die lesbischen Leidenschaften bei Kechiche. Aber die beiden Filme heben sich nicht auf, sie ergänzen sich.

Izïa Higelin und Cécile de France 2 ©  Cineworx
Izïa Higelin und Cécile de France 2 © Cineworx

Was Kechiche mit seinem Cannes-Sieger gelungen ist, nämlich die Liebe und den Liebeskummer und die Beziehungsprobleme zwischen zwei Frauen mit der gleichen Selbstverstädnlichkeit zu inszenieren, wie sie das Kino sonst nur standardisierten Bezehungsdramen gönnt, das ist bei Catherine Corsini einerseits selbstverständlich, andererseits durch die mehr als vierzig Jahre zurückversetzte Zeitebene auch wieder relativiert.

Cécile de France ©  Cineworx
Cécile de France © Cineworx

In Paris ist es die aufgeschlossene Feministin Carole, welche von der leidenschaftlichen Delphine geweckt und entzündet wird. Und auf dem Hof dann sind es die konservativen Strukturen, Delphines Wissen um das Unverständniss, mit dem sogar ihr Mutter auf die Situation reagieren würde, welche zum Problem werden.

Das ist eine geschickte, sehr einfache Anlage. Der Film bekommt vor allem in den Szenen und um die bewegten jungen Frauen an der Sorbonne einen fröhlich abfeiernden nostalgischen Ton und er wird auch später selten wirklich fordernd. Da liegt stets das Gefühl der «anderen Zeit» darunter, die Dringlichkeit weicht immer wieder der Fröhlichkeit.

Noémie Lvovsky ©  Cineworx
Noémie Lvovsky © Cineworx

Wenn die wie immer grossartige Noémie Lvovsky als Mutter von Delphine die beiden schliesslich im gemeinsamen Bett entdeckt und Carole unter wüsten Verwünschungen zum Teufel jagt, ist das zwar hässlich – aber die Szene vermittelt dem Publikum auch ganz klar ein Gefühl der Überlegenheit in der eigenen Aufgeschlossenheit. Das ist ein Mechanismus des Unterhaltungskinos, den wir nicht missen möchten, der aber auch nur all zu oft weiter gehende Reflexionen verhindert.

Regisseurin Catherine Corsini
Regisseurin Catherine Corsini

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