Venedig 15: THE DANISH GIRL von Tom Hooper

Eddie Redmayne ist 'The Danish Girl' © Universal
Eddie Redmayne ist ‚The Danish Girl‘ © Universal

The Danish Girl, der im Wettbewerb von Venedig um den Goldenen Löwen kämpft, erzählt die Biographie der Malerin Lili Elbe. Als Mann geboren und sogar verheiratet mit der Malerin Gerda Gottlieb, wächst in Einar Wegener das Verlangen, seine innere Identität als Frau auch äusserlich zu leben. Aber erst eine Operation – eine der ersten Geschlechtsumwandlungen überhaupt – kann die schlimme Identitätskrise beseitigen. Ein konventionell gedrehtes, aber sehr starkes Drama mit Eddie Redmayne und Alicia Vikander in den Hauptrollen.

Sie wird gefeiert als Pionierin der Transgender-Bewegung: die Dänin Lili Elbe. Dabei war sie keine Kämpferin für ihre Sache, keine Gründerin einer Bewegung. In Tom Hoopers Biopic ist Lili Elbe zunächst Einar Wegener, ein verheirateter Mann, der in einem langen Prozess, der schön aber vor allem leidvoll ist, entdeckt, dass er, bzw. sie im falschen Körper steckt. Nur dank seiner Ehefrau Gerda, die ihn nicht nur begleitet, sondern auch einen Leidensweg durchmachen muss, dank weltoffenen Freunden und dank einem deutschen Arzt kann Einar die seelische Veränderung schliesslich auch körperlich vollziehen.

Tom Hoopers Film ist sehr konventionell erzählt, eine wunderbar ausgestattete Geschichte aus den 1920er Jahren. Aber konventionell muss nicht langweilig oder gar schlecht heissen: The Danish Girl ist ein Film, der mit grosser Akribie zu ergründen sucht, was in den beiden Menschen vorgeht, lotet sowohl Einars zunächst noch Spiel mit den Geschlechteridentitäten aus, zeichnet nach, wie das anfängliche Spiel zur Notwendigkeit wird, wie plötzlich nicht mehr „Lili“ die Verkleidung ist, sondern „Einar“, wie dieser langsam verschwindet. Aber auch Gerda steht neben Einar/Lili im Zentrum dieses Films – ihr entgleitet der geliebte Ehemann, verschwindet, sie reagiert zunächst mit Belustigung, regt das, was ihr wie ein Spiel vorkommt, zunächst an, reagiert später mit Wut, mit Trauer, Verzweiflung: Aber auch sie findet eine Lösung, sich von Einar zu verabschieden und sich mit Lili zu versöhnen. Sie malt Lili wieder und wieder.

Der Film versucht gar nicht erst, aus Lili eine Gallionsfigur der Transgenderbewegung zu machen – sie bleibt die unsichere Person, Frau im Männerkörper gefangen. Immer wieder sieht man Einar sich in spiegelnden Flächen anschauen, wo er Lili wird, Lilis Bewegungen übt, sich anlächelt. In diesem Lächeln (darin ist Schauspieler Eddie Redmayne umwerfend) sieht man die ganze Erleichterung und Freude, endlich einmal Frau sein zu dürfen.

Ein Film, der so nah an seinen Figuren ist, so intensiv zwei Entwicklungsgeschichten begleitet, die Anatomie einer Beziehung seziert, ist auf gute Darsteller angewiesen – und da brillieren in den Rollen von Einar/Lili und Gerda Eddie Redmayne und Alicia Vikander. Ihr Spiel ist grossartig und überzeugend. Wenn Gerda in einer Szene verzweifelt vor Lili steht und sagt „Wo ist Einar? Ich brauche jetzt meinen Ehemann!“ und Lili nur den Kopf schüttelt, dann wird direkt klar, wie tiefgreifend diese Metamorphose für alle Beteiligten ist.

In der Rolle als Arzt Kurt Warnekros ist übrigens der deutsche Schauspieler Sebastian Koch zu sehen.

Natürlich schraubt Tom Hoopers Biopic, wie alle „true stories“ manchmal ganz gehörig an der Geschichte herum, lässt die Dänen englisch sprechen und lässt Gerda den ganzen Weg Lilis bis zur Operation begleiten (in Wirklichkeit war sie schon längstens wieder verheiratet und in Marokko, als sich Lili der Operation in Dresden unterzog). Aber das ist der Dramaturgie des grossen Gefühlskinos geschuldet – und genau die macht diesen Film wohl zu einem der Oscar-Kandidaten nächstes Jahr. Ob er hier in Venedig allerdings Löwenchancen hat, ist eher zu bezweifeln, dafür ist The Danish Girl dann doch zu konventionell gemacht.

Regisseur Tom Hooper © Universal
Regisseur Tom Hooper © Universal

Kommentar verfassen