ZFF2015: DÜRRENMATT. EINE LIEBESGESCHICHTE von Sabine Gisiger

Eine Liebesgeschichte: Friedrich und Lotti Dürrenmatt © DCM
Eine Liebesgeschichte: Friedrich und Lotti Dürrenmatt © DCM

Er ist, wie sein Werk auch, ein nationales Monument, wuchtig, grotesk, bedeutsam: Friedrich Dürrenmatt. Ein Kinofilm über ihn hatte am Samstag Premiere am Zürich Film Festival, Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte heisst er und er ist von der Dokumentarfilmerin Sabine Gisiger (Yalom’s Cure). Am Zürich Filmfestival sprach ich mit Sabine Gisiger über ihren Film.

Eine Liebesgeschichte: Lotti und Friedrich Dürrenmatt © DCM
Eine Liebesgeschichte: Lotti und Friedrich Dürrenmatt © DCM

Wer glaubt, ein Déjà-vu zu haben, hat nicht ganz Unrecht. Denn bereits im Januar lief ein Film Sabine Gisigers über Dürrenmatt an den Solothurner Filmtagen und im Fernsehen. Dies war ein für SRF produziertes Porträt des Schriftstellers, Dürrenmatt im Labyrinth hiess der Film, eine fiktive Autobiographie. Und weil sie diese behauptete Autobiographie zuerst den Angehörigen vorführen wollte, erzählt die Regisseurin, habe sie aus Gesprächen mit ihnen so viele Fragen beantwortet bekommen, so viele neue Facetten gehört, dass Sie beschlossen hat, den Kinofilm Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte zu drehen.

Lotti Dürrenmatt © DCM
Lotti Dürrenmatt © DCM

In seinem Malatelier mischt Dürrenmatt Farben, malt bedächtig an einem seiner grotesken Bilder und erzählt, wie gross die Leere nach dem Tod seiner ersten Frau Lotti sei, mit der er rund 40 Jahre gelebt und gearbeitet hatte, mit der er seine Kinder hatte. Dieser Filmanfang gibt die Tonart vor, in der dieser Film gemacht ist: kein Werkkatalog, kein Nachzeichnen von Dürrenmatts Weg vom jungen Dramatiker bis zum weltberühmten Schriftsteller. Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte ist ein sehr intimes Porträt des Konolfinger Pfarrersohns und der Beziehung zu seiner Frau Lotti. Mit ihr habe Dürrenmatt alle seine Figuren besprochen, erzählt seine Tochter Ruth im Film, ohne sie hätten seine Theaterstücke nicht diese Tiefe und Kraft gehabt, ist sie überzeugt.

Familie Dürrenmatt © DCM
Familie Dürrenmatt © DCM

Es ist schon etwas Besonderes, einmal den Sohn Peter und die eine Tochter Ruth und die Schwester Verena Dürrenmatt zu sehen und zu hören. Diese haben sich bis jetzt fast nie öffentlich über ihren Vater beziehungsweise den Bruder geäussert. In Sabine Gisigers Film bereichern Sie mit Ihren Erinnerungen das Bild des Menschen Dürrenmatt und erinnern sich an die Liebe zwischen ihren Eltern Fritz und Lotti.

Sohn Peter Dürrenmatt © DCM
Sohn Peter Dürrenmatt © DCM

Es ist diese Liebesgeschichte, der Sabine Gisiger in ihrem Film nachspürt: 80 Stunden Material hat sie gesammelt, einiges davon stammt aus dem Film Porträt eines Planeten, den Dürrenmatts zweite Frau Charlotte Kerr 1984 gedreht hat. Ihr, der zweiten «Lotti» in Dürrenmatts Leben ist nur wenig Zeit im Film gewidmet – die «Liebesgeschichte» im Titel gehört Lotti Geissler, der ersten Frau.

Tochter Ruth Dürrenmatt © DCM
Tochter Ruth Dürrenmatt © DCM

Über Charlotte Kerr und Dürrenmatt sei schon so viel geschrieben worden, Kerr selber habe ihre und Dürrenmatts Geschichte so oft erzählt, sagt die Filmemacherin Sabine Gisiger, dass darüber die langjährige erste Frau, die Schauspielerin Lotti Geissler ganz aus dem Dürrenmatt-Bild verschwunden sei. Keine Interviews gibt es mit ihr, nur einige Fotos und die Erinnerungen der Kinder.

Friedrich Dürrenmatt und sein Kakadu © DCM
Friedrich Dürrenmatt und sein Kakadu © DCM

Dieser Film ist also nicht nur ihm, dem Grossen, dem Bedeutenden, dem Meteor und dem Richter aller Henker gewidmet, sondern auch ihr, seiner Geliebten, seiner Frau, seiner ersten Leserin und Mitdenkerin. Die Kinder erinnern sich, dass ihre Eltern so stark aufeinander bezogen gewesen seien, dass sie sich manchmal ganz vergessen gefühlt hätten, obwohl sie im gleichen Zimmer waren.

Friedrich Dürrenmatt - Das Monument © DCM
Friedrich Dürrenmatt – Das Monument © DCM

Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte sei aber auch ihre eigene Liebeserklärung an Dürrenmatt und sein Werk, sagt Sabine Gisiger. «Die Art und Weise, wie er über die Welt nachdenkt, finde ich absolut faszinierend. Und faszinierend ist auch, dass das, was er über die Welt im 20. Jahrhundert gesagt hat, auch im 21. noch gilt».

Und so hört man im Film denn auch den Dichter selber am Meisten sprechen, über die Welt, über seine Stücke, über das Theater, aber auch über sein Leben, seine Familie, seine Frau Lotti.

Filmemacherin Sabine Gisiger © DCM
Filmemacherin Sabine Gisiger © DCM

[Der Film ist eine SRF-Koproduktion. Kinostart Deutschschweiz: 15. Oktober 2015]

Kommentar verfassen