SFT 18: DIE VIERTE GEWALT von Dieter Fahrer

© Balzli & Fahrer GmbH

Natürlich sind wir Journalisten die ersten, die sich für einen Film über Journalisten interessieren. Und wenn der Berner Dokumentarfilmer Dieter Fahrer über die sogenannte «vierte Gewalt» im Staat nachdenkt, wissen wir auch, wo seine Sympathien liegen.

Und Dieter Fahrer weiss, dass wir das wissen. Darum deklariert er seinen Film Die vierte Gewalt von Anfang an als subjektive Bestandesaufnahme.

Der Film eröffnet mit der klassischen Sequenz, in der frisch gedruckte Zeitungen in eindrücklicher Reihung die Druck- und Faltmaschinen verlassen. Fein säuberlich hängt da «Der Bund» tausendfach am Transportsystem, wie Skifahrer am Lift.

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Das Bild hat Nostalgiewert und auch Steven Spielberg geniesst den gleichen Kamerablick auf die frisch gedruckten Ausgaben der «Washington Post» in seinem aktuellen Loblied auf den investigativen Journalismus The Post – mit Tom Hanks und Meryl Streep.

Aber bei Dieter Fahrer folgt dann gleich mit den Erinnerungen auch die Ernüchterung. Zu Diaaufnahmen von der leergeräumten elterlichen Wohnung erzählt der Filmemacher, dass «Der Bund» immer auf dem Stubentisch gelegen habe. Die Zeitung war das Fenster zur Welt.

Die Familie, welche die Wohnung nun übernimmt, nach dem Umzug der Eltern in eine Alterswohnung, hat keine Zeitung abonniert. Fahrer hat nachgefragt.

Redaktionskonferenz beim ‚Bund‘ © Balzli & Fahrer GmbH

So machte er sich auf, dem Medienwandel nachzuspüren. Beim «Bund» hat er angefangen, dem klassischen Modell der gedruckten Abonnementszeitung. Beim «Echo der Zeit» von Radio SRF hat er Moderator Sämi Wyss und den Kolleginnen über die Schulter geblickt. Und bei den crowdgefundeten Selbsthilferebellen der «Republik» hat er die hoffnungsvolle Zeit vor dem Launch begleitet.

Am fasziniertesten aber zeigt sich Die vierte Gewalt ganz klar von der möglichen Zukunft in der Gegenwart, vom online Magazin «Watson». Watson-Kollegin Simone Meier ist entsprechend hingerissen: «Aber der Star, liebe andere Medien, ist klar».

Redaktionskonferenz bei Watson © Balzli & Fahrer GmbH

Die Kollegen vom «Bund» dagegen sind nicht nur glücklich über die filmische Liebeserklärung, welche Die vierte Gewalt ganz klar auch ist: «Dummerweise fühlt sich seine Liebeserklärung […] an wie ein Adieu.»

Recht haben sie beide. Filme brauchen eine Dramaturgie, eine Bewegungsdynamik. Und um die gewählte Dynamik macht Dieter Fahrer kein Geheimnis. Wenn er den Umzug der Eltern in die Alterswohnung parallel setzt zum erzwungenen Schrumpfungsprozess beim TA-Media-Titel «Der Bund», dann macht er das nicht nur implizit.

Büroraum verkleinern beim ‚Bund‘ © Balzli & Fahrer GmbH

Das Bild der leergeräumten Wohnung wird gegen Ende des Films wiederholt mit einer Einstellung auf leergeräumten Büroraum beim «Bund», der aus Spargründen hätte weitervermietet werden sollen. Vergeblich, wie erwähnt wird. Die Bund-Kolleginnen arbeiten neben den leergeräumten Quadratmetern auf engerem Raum weiter.

Und wenn Dieter Fahrer darauf verweist, dass er ausgerechnet auf dem Wusel-, Wimmel- und Klicksammel-Portal von «Watson» die zen-artige Faszination einer Streetcam entdeckt habe, dann spricht das natürlich auch für seine Bemühungen, sich ernsthaft mit diesem neuen Medienmix auseinanderzusetzen.

Lina Selmani bei ‚Watson‘ © Balzli & Fahrer GmbH

Die vierte Gewalt ist ein unterhaltsames Lehrstück, eine Bestandesaufnahme und einer jener klassischen, empathiegetriebenen Dokumentarfilme, die lieber ihre Subjektivität betonen, als eine Objektivität zu simulieren. Das wird zusätzlich unterstrichen dadurch, dass Fahrer die gefilmten und befragen Journalistinnen und Journalisten auch sehr direkt zu ihrer Haltung befragt.

Rafaela Roth von Watson schreibt im Intercity © Balzli & Fahrer GmbH

Da steht dann Rafaela Roth (hat unterdessen von «Watson» zum «Tages-Anzeiger» gewechselt), die als (auch) empathiegetriebene Reporterin zum Beispiel Flüchtlingsschicksale nachvollziehbar machen will, neben der jungen Kollegin, die findet, das Kuratieren von Katzenbildern und Menstruationsvideos sei durchaus auch eine journalistische Leistung im Kontrast zum Samuel Wyss’ Behauptung, er lasse die News emotional nicht an sich heran, wenn er als Echo-Moderator arbeite. Schliesslich sei er in dieser Funktion kein Meinungsjournalist.

Samuel Wyss und Judith Huber vom ‚Echo der Zeit‘ © Balzli & Fahrer GmbH

Das Schöne an Dieter Fahrers Film ist nicht zuletzt, dass man ihnen allen diese jeweilige persönliche Haltung abnimmt und zugleich das Engagement spürt, jenes des Filmemachers genau so wie jenes seiner Protagonistinnen.

Samuel Wyss moderiert das ‚Echo der Zeit‘ © Balzli & Fahrer GmbH

So ist der Film nicht nur eine unvollständige, aber exemplarische Bestandesaufnahme der Deutschschweizer Medienlandschaft und eine wehmütige Liebeserklärung an den «Bund», sondern auch und vor allem ein Pamphlet für den klassischen Journalismus jenseits von Meinungsmedien und Marktopportunismus.

 

  • SRF hat diesen Film koproduziert.
  • «Die vierte Gewalt» hat Premiere am 27. Januar 2018 um 18 Uhr an den Solothurner Filmtagen.
  • Nach etlichen Vorpremieren in diversen Städten ist der offizielle Kinostart am 8. Februar 2018.
  • Ein ausführliches Gespräch mit Dieter Fahrer zum Film gibt es auf SRF2 Kultur in Kontext – Künste im Gespräch am 1. Februar