Berlinale 18: DON’T WORRY, HE WON’T GET FAR ON FOOT von Gus Van Sant (Wettbewerb)

Joaquin Phoenix als John Callahan © 2018 AMAZON CONTENT SERVICES LLC / Scott Patrick Green

Der Titel des Films stammt aus einem Cartoon vom Zeichner John Callahan. Ein paar Wildwestfiguren auf Pferden haben am Rand der Wüste angehalten vor einem leeren, umgekippten Rollstuhl. Der vorderste, mit Sheriff-Stern, dreht sich zu den anderen um und sagt: «Macht euch keine Sorgen, zu Fuss kommt der nicht weit.»

Callahan war berühmt bis berüchtigt für seine grenzwertigen Behinderten-Cartoons, die er unter anderem deswegen so perfekt hinkriegte, weil er selber als Paraplegiker im Rollstuhl sass.Gus Van Sants Film erzählt in einem wilden Mix aus Vor- und Rückblenden, wie John als Alkoholiker endete, in seinen grossen Unfall geriet, und schliesslich mit Hilfe der anonymen Alkoholiker und einer Freundin seine eigentliche Berufung als Cartoonist fand.

Das ist einerseits wieder einmal eine jener amerikanischen Erfolgsgeschichten, welche das Hohelied vom Überwinden noch der grössten Widrigkeiten des Lebens durch Optimismus und Willensstärke feiern. Und zugleich ein ziemlich guter Gus Van Sant Film.

Joaquin Phoenix spielt Callahan, Jonah Hill seinen AA-Sponsor Donny, Rooney Mara die märchenhaft liebenswerte Freundin Annu und Jack Black schliesslich den Saufkumpan, mit dem er den grossen Unfall hat.

Für Gus Van Sant ist der rote Handlungsfaden aber eher der Anlass, eine grosse Zahl von Begegnungen in sehr unterschiedlichen Milieus und Tonfällen zu inszenieren – getrieben vom schwarzen Humor, der hinter vielen der Cartoons von Callahan steckt.

Das hilft, um die hart erkämpfte und erlittene Erfolgsgeschichte nicht einfach zum «motivational» zu machen. Das Programm der anonymen Alkoholiker, das wir aus so vielen Filmen kennen, ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte hier, auch wenn der Film vor allem bei jenen Figuren bleibt, die es schaffen.

Joaquin Phoenix, Jonah Hill © 2018 AMAZON CONTENT SERVICES LLC / Scott Patrick Green

Etliches bleibt idealisiert, die Momente der Verzweiflung sind zwar deutlich, aber nicht erdrückend. Aber zentral bleibt für den Film das Hinterfragen von Mechanismen, von Wahrnehmung, von Interpretation. Was ist Schuld? Wer ist schuld? Spielt Schuld eine Rolle, oder ist Vergebung wichtiger? Und was ist mit jenem berüchtigten Step 3, der nach einer höheren Macht verlangt, nach etwas, das man akzeptieren muss als grösser als das eigene Ego und für Hilfe anrufbar?

Die ausgewogene Dosierung von schwarzem Humor, Liebenswürdigkeit und etwas gepflegtem Aussenseitertum macht diesen Film zu einem genussreichen Aufsteller ohne allzu viel von jener Reue, die sich sonst einstellt, wenn man sich allzu bereitwillig auf die Rolltreppe einer Erfolgsgeschichte stellt.

Das hängt auch damit zusammen, dass die verschachtelten Bewegungen zwischen Rück- und Vorblenden, Phantasieszenen und Kontrastmomenten im perfekt ausbalancierten Rhythmus gehalten sind, nie überfordernd, aber auch nie unterfordernd.

Gus Van Sant experimentiert gerne mit seinen Filmen. Aber dann macht er auch gerne wieder einfach gutes, eingängiges Kino, so wie hier: Dont‘ worry he won’t get far on foot.

Director Gus Van Sant © Scott Patrick Green