Zum Tod von Erwin C. Dietrich

In 80 Betten um die Welt oder Frauen ohne Unschuld sind nur zwei der unzähligen Filmtitel aus dem umfangreichen Gesamtwerk des Schweizer Filmproduzenten und Regisseurs Erwin C. Dietrich. Mit Heimatfilmen hat er angefangen, mit Sexfilmen wurde er reich und schliesslich baute er in Zürich ein ernstzunehmendes Verleih- und Kino-Imperium auf. Wie erst am Sonntag bekannt wurde, ist der Kinopionier letzte Woche nach langer Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben. Hier ein Rückblick auf seine Karriere, die von Produktionsökonomie und kaufmännischem Geschick geprägt war: 

Erwin C. Dietrich wurde am 4. Oktober 1930 in eine gutbürgerliche Schweizer Familie mit deutschen Wurzeln geboren. Seine Jugend erlebte das Einzelkind in St. Gallen und selbst eine Laufbahn als Pfarrer traute man dem fleissigen Klosterschüler einst zu.

Seine wahre Passion, neben den Pfadfindern, fand Erwin allerdings im Kino. Ausgelöst hatte die Begeisterung einer der Tarzan-Filme mit Johnny Weissmüller.

‚Tarzan Escapes‘ mit Maureen O’Sullivan und Johnny Weissmüller

Zum Film zu kommen war allerdings nach dem zweiten Weltkrieg gar nicht einfach. Filmschulen gab es keine, eine Schauspielerausbildung am Zürcher Bühnenstudio war ein erster Schritt, neben einer kaufmännischen Grundausbildung.

„Learning by doing“ war Dietrichs Methode. Er wollte Filme machen und er machte Filme. Er schrieb, produzierte, drehte, spielte wenn nötig auch selber. Angefangen hat er mit dem damals populärsten Kinogenre, dem Heimatfilm. Und wichtig war ihm der Publikumserfolg, nicht die Kunst.

Zum Heimatfilm gesellte sich die Komödie, zum Beispiel mit dem aufstrebenden Schweizer Bühnenstar Walter Roderer. Dietrichs erste Produktionen kamen an beim Publikum, in der Schweiz und in Deutschland.

‚Der Herr mit der schwarzen Melone‘ mit Walter Roderer (1960)

Aber das damals übliche Finanzierungssystem und seine Abhängigkeit von den deutschen Filmverleihern wurden dem Jungproduzenten zum Verhängnis. Bald sass er auf zwei Millionen Schulden, was er als aufrechter Schweizer nicht auf sich sitzen lassen wollte.

Es gab aber damals nur eine Art von Film, mit der sich todsicher Geld verdienen liess.

Das, was man damals Sex- oder Erotik-Film nannte, war nicht zuletzt eine Reaktion auf die Muffigkeit der 50er Jahre und die kommerzielle Begleiterscheinung der sexuellen Revolution der 60er Jahre.

Es brauchte am Anfang wenig mehr als ein paar blanke Busen, um an die Grenzen zu stossen, zum Beispiel jene der FSK, der freiwilligen Selbstkontrolle des deutschen Kinogewerbes. Dietrichs frühe Sex-Klamotte „Die Nichten der Frau Oberst“ verdankte ihren Erfolg nicht zuletzt diesen werbeträchtigen Kontroversen.


Reflexe-Sendung mit Erwin C. Dietrich vom 3. Oktober 2006 (DRS2, bzw. heute SRF2 Kultur)

Dietrich bewies kaufmännisches Geschick, indem er das Risiko minimierte und die Zwischenhändler ausschaltete und ein eigenes Filmverleihnetz aufzog. Auf dem eben aufblühenden europäischen Erotik-Filmmarkt etablierte er sich mit seiner gleichzeitigen Kontrolle über Produktion und Auswertung überraschend schnell.

Zu Dietrichs ökonomischen Prinzipien gehörte auch die Resteverwertung. Aus überzähligem belichtetem Filmmaterial liess sich fast immer noch ein weiterer Film zusammenschneiden, insbesondere dann, wenn eine zunächst unbekannte Darstellerin wie etwa die blonde Deutsche Ingrid Steeger plötzlich zum Fernsehstar wurde.

‚Ich – Ein Groupie‘ mit Ingrid Steeger (‚Klimbim‘)

Während der junge Schweizer Film darbte und kämpfte und vor allem mehr debattierte als drehte, war Erwin C. Dietrich permanent am Produzieren.

Und etliche junge Schweizer haben bei ihm die Mechanik des Business und allenfalls gar die Grundzüge des Handwerks gelernt, so auch der spätere Erfolgsproduzent Alfi Sinniger oder spätere Oscar-Gewinner Xavier Koller.

In seinen späteren Jahren waren es dann nicht mehr die Erotik-Filme, sondern Söldner- und Actionfilme wie „The Wild Geese“ mit Roger Moore oder „Ein Schweizer namens Nötzli“ mit Walter Roderer, die Geld in die Kassen spülten.

‚The Wild Geese‘ mit Roger Moore, Richard Harris und Richard Burton (1978)

Als Geschäftsmann hat Dietrich immer neue Wege zum Erfolg gesucht und gefunden. So hat er schliesslich auch den letzten Schritt zur völligen Kontrolle der Auswertungskette gewagt, und in Zürich mit dem Capitol das erste Multiplex-Kino in Betrieb genommen.

Gegen den erbitterten Widerstand der etablierten Kinobetreiber notabene. Zum Capitol kam dann das Cinemax (heute Abaton und zur Kitag-Kette gehörend wie auch das Capitol) auf den Steinfelsareal und schon vorher der Umbau des Ascot-Elite-Verleihs zum seriösen Unterhaltungsfilmverleih.

Dank einem umfangreichen Firmen-Netzwerk und langjährigen Verträgen mit US-Produzenten ist Ascot-Elite heute einer der grössten unabhängigen Verleiher im deutschsprachigen Raum, geführt in der zweiten Generation von Dietrichs Kindern.

Mehr zu Leben und Werk des Schweizer Filmproduzenten erfahren Sie im Buch «Mädchen, Machos und Moneten» der beiden Historiker Benedikt Eppenberger und Daniel Stapfer. Verlag Scharfe Stiefel, 2006.