Cannes 19: ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD von Quentin Tarantino

Brad Pitt und Leonardo DiCaprio © Sony Pictures Ent.

Es war so gut wie sicher, dass das Tarantinos Liebesfilm werden würde. Eben so sicher war, dass er keine gewöhnliche Liebesgeschichte erzählen würde. Nun steht im Zentrum eine Männerfreundschaft, eine zwischen zwei falschen echten Cowboys im Land der echten falschen Cowboys, in Hollywood.

Leonardo DiCaprio spielt den verblassenden Westernstar Rick Dalton, Brad Pitt seinen Stuntman, Handlanger, Fahrer, Freund und Aufpasser Cliff Booth. Noch vermag Rick sein Haus in den Hollywood Hills zu halten, und zu seiner Begeisterung ist im Haus nebendran eben Roman Polanski mit seiner Frau Sharon Tate eingezogen.

Dreharbeiten mit Margot Robbie als Sharon Tate © Sony Pictures Ent.

Polanski, der Regisseur von Rosemary’s Baby, der heisseste Name Hollywoods… und vielleicht über eine Poolparty-Bekanntschaft der Mann, der Ricks Karriere wiederbeleben könnte?

Das Jahr ist 1969, der Film beginnt im Februar.

Aber bevor das alles losgeht, ein Wort von Quentin Tarantino an die Journalisten des Filmfestivals von Cannes. Von Filmliebhaber zu Filmliebhaber beschwört er uns, keine der Wendungen des Films zu verraten, auf dass künftige Kinogängerinnen und Kinogänger sein Werk mit der gleichen Unschuld erleben können wie wir:

Nun, das sollte im Zeitalter der grossen Spoiler-Panik eigentlich selbstverständlich sein. Halten wir uns also an das, was in den letzten Monaten schon bekannt war.

Once Upon a Time In Hollywood spielt im Jahr 1969 in Hollywood. Es ist das Jahr der Manson-Murders an Sharon Tate und ihren Freunden, aber das liegt im Februar 1969 noch in der Zukunft.

Während  Rick Dalton eigentlich erst mal keine mehr hat. Zumindest erklärt ihm das der von Al Pacino mit Gusto gespielte Agent Marvin Schwarzs. Er weist Rick darauf hin, dass er eigentlich nur noch in Gastauftritten die Bösewichte in neuen Fernsehserien spiele. Ein Produzenten-Trick, um die neuen Stars besonders neu und stark wirken zu lassen.

Leonardo DiCaprio als Jack Dalton © Sony Pictures Ent.

Als Mittel dagegen schlägt er ihm vor, es ein paar Monate in Italien zu versuchen. Italo-Western hätten schon etliche Karrieren neu belebt. Rick kommt darauf das grosse Heulen, was wiederum seinen Freund und Fahrer Cliff eher peinlich berührt. Der steckt ihm seine Sonnenbrille aufs Gesicht und fährt ihn nach Hause.

Er hätte ihm auch von Clint Eastwood und Sergio Leone erzählen können. Aber dann wäre der erste schöne Gag in Tarantinos neuem Film von ihm selber gespoilert worden.

Ein weiterer Höhepunkt folgt bald darauf, als sich der von Pitt gespielte Cliff von seinem Freund daran erinnern lassen muss, warum der Set-Verantwortliche des Studios ihn nicht mehr als Stuntman auf dem Dreh haben will. In einer grossartigen Rückblende erleben wir, wie ein absolut souveräner Brad Pitt einen grossmäuligen Bruce Lee zuerst auflaufen lässt und dann in die Tür eines parkierten Autos donnert. Leider gehört das Auto der von Tarantinos Lieblingsstuntfrau Zoe Bell gespielten Frau des Set-Verantwortlichen.

Aus vielen solchen funkelnden, kleinen, filmfanbegeisternden Episoden besteht ein Teil von Once Upon a Time in Hollywood. Aber Tarantino verflicht die diversen Realitäten nachgebastelten Geschichten aus dem Leben von Rick Dalton und seinem Buddy Cliff mit der historischen Realität der Manson-Familie.

Dass Charles Manson sich mit seinen Hippie-Mädchen ausgerechnet auf jener Movie-Farm eingerichtet hat, auf der Cliff acht Jahre früher noch mit Jack einen Western nach dem anderen gedreht hatte, ist einer dieser tarantinesken Kunstgriffe, die Realität mit Realität fiktiv verknüpfen.

Brad Pitt © Sony Pictures Ent.

Brad Pitt war lange nicht mehr so gut und so attraktiv in einem Film. Er verkörpert in der filmischen Realität den Mann, den sein Buddy und Arbeitgeber vor der Kamera spielt. Was auch bedeutet, dass Leonardo DiCaprio eben so generös zurückzustecken weiss, und seinem Rick eine wunderbar aufgelöste Unsicherheit verpasst.

Überhaupt ist das ein Film voller Spielfreude. All die Leute, die hier in kurzen und kürzesten Rollen hollywoodreferentielle Auftritte hinlegen, tun dies mit sichtlicher Begeisterung: Sie alle spielen in den Backlots ihrer eigenen Hollywoodträume die Legenden, von denen sie und wir noch immer zehren.

Tarantino kennt die Filmgeschichte, die offizielle und die inoffizielle. Er spielt damit und er tut das, was Hollywood immer am besten konnte: Er schrammt satt an der Realität vorbei mit grossen Ideen, grossen Gefühlen und kleinen Momenten.

Wenn Once Upon a Time in Hollywood am Ende vielleicht doch weniger Zuschauerinnen und Zuschauer anziehen wird, als Tarantinos bisherige Filme, dann liegt es vor allem daran, dass er hier mit seinen eigenen Spielsachen zu seinem eigenen Vergnügen spielt.

Leonardo DiCaprio als Rick Dalton © Sony Pictures Ent.

Das hat er zwar schon immer getan, aber stets so, dass man auch von aussen seinen Weg über den Spielplatz gefunden hat. Diesmal gehört man dazu. Oder eben ein bisschen weniger. Und das gilt für alles in diesem Film. Er ist seine eigene Fanfiction.

Im Kino ab 15. August 2019

Eine Antwort auf „Cannes 19: ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD von Quentin Tarantino“

  1. Schäme mich gerade ein bitzli, noch nie was davon gehört.
    Gluschted mich ungemein.

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