Cannes 16: Zweite Goldene Palme für Ken Loach – Le palmarès

Ken Loach mit seinem Palmenzertifikat für 'I, Daniel Blake'
Ken Loach mit seinem Palmenzertifikat für ‚I, Daniel Blake‘

Nach der goldenen Palme, welche Ken Loach für The Wind that Shakes the Barley 2006 gewonnen hat, und den viele als eine Art Preis für sein Lebenswerk empfunden hatten, hat der 79jährige britische Altmeister des sozialen Agitprop-Kinos nun die Palme d’or für einen „richtigen“ Loach gewonnen:

Palme d’Or I, Daniel Blake von Ken Loach

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Grand Prix: Xavier Dolan, C’est juste la fin du monde
Regiepreis: Cristian Mungiu, Bacalauréat und Olivier Assayas, Personal Shopper
Bestes Drehbuch: Asghar Farhadi, The Salesman
Beste Darstellerin: Jaclyn Jose, Ma’Rosa
Jury Preis: Andrea Arnold, American Honey
Bester Darsteller: Shahab Hosseini, The Salesman

Damit hat die Jury einmal mehr hauptsächlich anders entschieden, als es sich die versammelten Medienvertreter gewünscht hätten. Das hat, wie immer, mit dem Unterschied zwischen Innen- und Aussenblick zu tun. Schliesslich bestand die diesjährige Jury aus lauter Schauspielerinnen, Produzentinnen, Filmemacherinnen.

Cannes 16: FORUSHANDE (The Salesman) von Asghar Farhadi (Wettbewerb)

Taraneh Alidoosti, Shahab Hosseini © frenetic
Taraneh Alidoosti, Shahab Hosseini © frenetic

Warum ausgerechnet der Arthur-Miller-Klassiker „Death of a Salesman“ das Strukturgerüst für Farhadis jüngstes Familiendrama liefert, erschliesst sich nicht ohne weiteres. Vielleicht hat er ein universal bekanntes Drama gesucht, vielleicht hat das Stück im Iran eine besondere Bedeutung. Aber Farhadis Meisterschaft bei der Inszenierung familiärer Beziehungen spiegelt sich gut in Millers fast siebzig Jahre alten Drama.

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Der Film setzt ein mit den letzten technischen Bühnenvorbereitungen für eine Neuinszenierung des Stücks in Teheran. Scheinwerfer werden gerichtet, Beleuchtungsvarianten ausprobiert. Die spielende Truppe setzt sich aus sehr unterschiedlichen Männern und Frauen zusammen, die meisten von ihnen haben neben ihrer Leidenschaft noch einen Brotjob, wie sich herausstellt.

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Cannes 16: ELLE von Paul Verhoeven (Wettbewerb)

Isabelle Huppert © frenetic

Der Roman von Philippe Djian trägt den Titel „Oh…“. Aber der Film heisst Elle. Elle, c’est Isabelle Huppert. Und Huppert-zentriert ist diese abgründig schwarze Komödie tatsächlich.

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Niemand ausser dieser furchtlosen Präzisionsschauspielerin hätte diese Rolle so spielen können. Michèle leitet eine erfolgreich Videogame-Schmiede. Sie hat alles im Griff, ist souverän, spöttisch, effizient. Und das bleibt sie auch, nachdem sie in ihrer Villa von einem maskierten Eindringling brutal vergewaltigt wurde.

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Cannes 16: THE LAST FACE von Sean Penn (Wettbewerb)

Javier Bardem und Charlize Theron in 'The Last Face' von Sean Penn © Impuls
Javier Bardem und Charlize Theron in ‚The Last Face‘ von Sean Penn © Impuls

Der erste Buhruf kam in der Salle Lumière schon nach zehn Sekunden, vor dem ersten Bild. Da stand etwas von dem schrecklichen Leiden in Afrika auf der Leinwand, dem Leid, von dem niemand in der Welt etwas mitbekommen hätte. Hätte es da nicht diese grosse, schreckliche Liebe zwischen einer Frau und einem Mann gegeben.

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Sean Penns Film ist doppelt unerträglich. Zum einen, weil er einen Teil des Horrors der unzähligen Kriege, Fehden, Genozide auf die Leinwand bringt. Kindersoldaten, Leichenberge, Strassensperren aus Gedärmen. Zum anderen, weil er das alles zum Hintergrund degradiert für eine Liebesgeschichte zwischen einer schönen blonden Frau und einem feurigen männlichen Mann – beide weiss, mit Namen versehen und mit sogenannten Backstories.

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Das 69. Filmfestival Cannes: Eine Bilanzrunde

Das Radiostudio im Palais du Festival © sennhauser
Das Radiostudio im Palais du Festival © sennhauser

Der Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes ist die Olympiade des Autorenfilms. Die Preisträger bilden seit Jahren eine eigene dynamische Liga, auch wenn der leise Spott über den «Grandprix der alten Männer» stets über dem Glamour-Trubel schwebt wie ein giftiges Wölklein. Zu Recht?
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Cannes 16: JUSTE LA FIN DU MONDE von Xavier Dolan (Wettbewerb)

Cotillard, Cassel, Ulliel, Seydoux, Baye © Praesens
Cotillard, Cassel, Ulliel, Seydoux, Baye © Praesens

Das kanadische Wunderkind inszeniert ein Theaterstück von Jean-Luc Lagarce wie eine Oper ohne Gesang. Aber mit viel Musik und mit einer Perlenkette von Stars: Nathalie Baye, Vincent Cassel, Gaspard Ulliel, Marion Cotillard und Léa Seydoux.

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Die tragische Schönheit der Kameliendame ist ihr bevorstehender Tod. Und beim schwulen jungen Schriftsteller Louis (Ulliel) ist das nun auch so. Louis hat sich entschieden, seine Mutter und seine Geschwister zu besuchen, die er jahrelang nicht mehr gesehen hat.

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Cannes 16: THE NEON DEMON von Nicolas Winding Refn (Wettbewerb)

The Neon Demon Nicolas Winding Refn (1)
Elle Fanning als Jesse © Impuls
Style over Substance sind wir ja gewohnt von Nicolas Winding Refn. Aber in diesem Film sind die Dialoge und die Handlung dermassen platt, dass man sie am liebsten ausblenden würde. Was bliebe, wäre eine gestylte Bildorgie und ein weiterer Soundtrack von Cliff Martinez. Beides sinnlos, aber schön.

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Leider greift Refn aber einmal mehr in die C-Picture Mottenkiste. The Neon Demon erzählt die Geschichte der 16jährigen Jesse (Elle Fanning) einem blonden Engel aus Georgia, die nach L.A. kommt, um eine Modelkarriere zu machen.

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Cannes 16: BACALAUREAT (Graduation) von Cristian Mungiu (Wettbewerb)

Bacalaureat - Mungiu (1)

Vor neun Jahren erblühte mit dem in den 80er Jahren spielenden Abtreibungsdrama 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage von Cristian Mungiu das rumänische Filmwunder hier in Cannes mit voller Wucht. Mungiu holte die goldene Palme. Mit seinem jüngsten Film ist der Rumäne nun mitten in der nicht weniger harten Gegenwart seines Landes.

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Ein rund fünfzig Jahre alter Arzt in einer transylvanischen Bergstadt hat seine Tochter mit dem Ziel aufgezogen, sie schulisch so weit zu fördern, dass sie den Heimatort nach der Matura mit einem Stipendium so schnell und so weit wie möglich verlassen kann.

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Cannes 16: LA FILLE INCONNUE von Jean-Pierre und Luc Dardenne (Wettbewerb)

Adèle Haenel ist die Ärztin Jenny Davin in 'La fille inconnue' © Xenix
Adèle Haenel ist die Ärztin Jenny Davin in ‚La fille inconnue‘ © Xenix

Zwei Palmen haben sie schon, und in der Regel jedes zweite Jahr einen Film im Wettbewerb von Cannes. Die belgischen Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne sind Habitués. Ihrem jüngsten Film merkt man das auch ein wenig an.

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Adèle Haenel (eben noch bestens in Erinnerung als überlebenstrainierender Teenager in Les combattants von Thomas Cailley) spielt die junge Ärztin Jenny Davin. Sie hat einige Monate die Praxis eines sich zurückziehenden alten Hausarztes geführt und soll in ein paar Tagen in einer renommierteren Klinik in Liège anfangen.

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Cannes 16: MA’ROSA von Brillante Mendoza (Wettbewerb)

Ma'Rosa von Brillante Mendoza

Mit seinen dokumentarisch wirkenden Filmen mitten aus dem Leben in Manila hat der Filipino-Regisseur Brillante Mendoza einen eigenen, sehr flüssigen Stil entwickelt.

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Auch sein jüngster Film oszilliert wieder zwischen einem Alltag, der hart genug ist, und dem alltäglichen Ausnahmezustand, der noch härter ist.

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