THE LANDSCAPE AND THE FURY von Nicole Vögele

‚The Landscape and the Fury‘ von Nicole Vögele © Beauvoir Films

Wälder und Felder hinter diesem kleinen bosnischen Ort an der grünen Grenze zu Kroatien sind voller Minen aus dem Bosnienkrieg der 1990er Jahre. Und durch die gleichen Wälder und Felder kommen immer wieder gruppenweise Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge aus Afghanistan, Kurdinnen, ganze Familien mit kleinen Kindern.

Von der Grenzpolizei werden sie misshandelt, ausgeraubt, ihre Telefone zerstört – und zurückgeschickt, barfuss, ohne Hoffnung, ohne eine andere Möglichkeit, als es wieder und wieder zu versuchen. „THE LANDSCAPE AND THE FURY von Nicole Vögele“ weiterlesen

THE SONG OF OTHERS von Vadim Jendreyko

‚The Song of Others‘ &copy Vinca-Film

Das Lied der anderen zu singen. Das kann helfen, das Trauma zu überwinden. Das Lied der anderen, zusammen mit den anderen. Und mit den anderen das eigene.

Das Bild des Chores in Sarajevo kommt gegen das Ende von Vadim Jendreykos Dokumentaressay. Da singen Muslimas mit Christen, Serbinnen mit Kroaten, vielstimmig, harmonisch und mit Hingabe Lieder, die vor ein paar Jahrzehnten im Krieg mit dem Feind assoziiert worden waren. „THE SONG OF OTHERS von Vadim Jendreyko“ weiterlesen

VENI VIDI VICI von Daniel Hoesl & Julia Niemann

Laurence Rupp, Olivia Goschler und Dominik Warta in ‚Veni Vidi Vici‘ (2024) © Ulrich Seidl Filmproduktion

Er könne keinem Tier etwas antun, versichert Multimillionär und Investor Amon Maynard glaubwürdig. Dafür erschiesst er zur Entspannung unbekannte Menschen mit Jagdgewehr und Zielfernrohr.

Sein Butler und Faktotum Alfred, ein ehemaliger Journalist, räumt danach auf. Aber nicht allzu heftig. Denn für Maynard besteht der eigentliche Kick darin, auszuprobieren, wie weit er gehen kann, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. „VENI VIDI VICI von Daniel Hoesl & Julia Niemann“ weiterlesen

MIT EINEM TIGER SCHLAFEN von Anja Salomonowitz

Birgit Minichmayr als Maria Lassnig © Stadkino Verleih

Ich kann mich gleichzeitig von innen und von aussen sehen, erklärt Maria Lassnig der kleinen Tochter ihrer Freundin in Paris. Sie liegt nackt in der Badewanne und redet leise auf Französisch, eher für sich als für die Kleine. Und als sie dann noch etwas von «aufschneiden» sagt, nimmt das Mädchen samt Teddy Reissaus.

Diese Gleichzeitigkeit von Innen und Aussen hat Anja Salomonowitz zum Konstruktionsprinzip ihres aussergewöhnlichen Künstlerinnenfilms gemacht. Der Spielfilm funktioniert immer wieder wie die Gemälde von Maria Lassnig, mit Bildern, die nicht nur übers Auge packen, sondern sich im ganzen Körper breit machen, schmerzlich oder grossartig. „MIT EINEM TIGER SCHLAFEN von Anja Salomonowitz“ weiterlesen

EUROPA von Sudabeh Mortezai

‚Europa‘ mit Lilith Stangenberg © Fratella Filmproduktion

Die von Lilith Stangenberg gespielte Beate Winter in diesem Film ist eine Schwester im (Un-) Geist von Sandra Hüllers Ines Conradi in Toni Erdmann. Wie jene ist sie im Auftrag einer Corporation im Osten auf gut kaschiertem Raubzug.

Beate Winter soll für die gar nicht ominös benannte «Europa»-Company die letzten lokalen Familien in einem albanischen Landstrich dazu bringen, ihre Häuser und ihr Land zu verkaufen. „EUROPA von Sudabeh Mortezai“ weiterlesen

SHAMBHALA von Min Bahadur Bham (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Thinley Lhamo © Aditya Basnet / Shooney Films

Wahrscheinlich haben alle ethnisch-ländlichen Geschichten dieser Welt irgendwo einen Jeremias-Gotthelf-Einschlag. Das macht sie so universal.

Wenn dann noch die Wimpel und die Berge, die Yaks und die Mönche, die Reinkarnation und die Mehrmännerei dazu kommen, dann weht durchs nachbarschaftlich Allzumenschliche schnell ein spiritueller Wind. „SHAMBHALA von Min Bahadur Bham (Berlinale 2024, Wettbewerb)“ weiterlesen

VOGTER (Sons) von Gustav Möller (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Sidse Babett Knudsen © Nikolaj Moeller

Manche Leute kann man eben nicht retten, tröstet Rami (Dar Salim), der Chefaufseher des Hochsicherheitstrakts, am Filmende die völlig erledigt auf einem Stuhl sitzende Eva (Sidse Babett Knudsen).

Manche Filme auch nicht. „VOGTER (Sons) von Gustav Möller (Berlinale 2024, Wettbewerb)“ weiterlesen

MÉ EL AÏN (Who Do I Belong To) von Meryam Joobeur (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Malek Mechergui, Dea Liane © Tanit Films, Midi La Nuit, Instinct Bleu

Dass Kriegsrückkehrer ihre Dämonen mit nach Hause bringen, das ist eine alte Metapher. Die in Kanada lebende tunesisch-amerikanische Regisseurin Meryam Joobeur bringt sie in ihrem ersten Langspielfilm aber erst sehr spät ins Spiel.

Zu Beginn machen sich Aicha und ihr Mann auf ihrem kleinen Ziegenhof im Norden von Tunesien bereit für eine Hochzeit. Adam, der jüngste Sohn, freut sich darauf, die Pferde zu sehen. Seine älteren Brüder Mehdi und Amine erklären, sie kämen später nach, als die Mutter sie zu Eile mahnt. „MÉ EL AÏN (Who Do I Belong To) von Meryam Joobeur (Berlinale 2024, Wettbewerb)“ weiterlesen

BLACK TEA von Abderrahmane Sissako (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Han Chang, Nina Mélo © Olivier Marceny / Cinéfrance Studios / Archipel 35 / Dune Vision

Sissakos erster Langfilm seit Timbuktu von 2014 ist eine chinesisch-afrikanische Liebesgeschichte. Oder gleich mehrere.

In der République de Côte d’Ivoire verweigert die schöne Aya (Nina Mélo) ihrem Verlobten das Ja-Wort bei der Trauung, weil er sie am Tag zuvor mit einer alten Flamme betrogen hat. „BLACK TEA von Abderrahmane Sissako (Berlinale 2024, Wettbewerb)“ weiterlesen

GLORIA! von Margherita Vicario (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Veronica Lucchesi, Carlotta Gamba, Sara Mafodda, Maria Vittoria Dallasta © tempesta srl

Femipop gegen barocke Langeweile. Schön wär’s! Der Berlinale-Wettbewerbsfilm der Italienerin Margherita Vicario will viel weiblichen Aufstand und Geschichtskorrektur und ist doch bloss ein Melodramusical.

Die erste Warnung kommt schon bald, als der ganze Hof von Sant Ignazio bei Venedig rhythmisch in Reih und Glied fällt. Die Wäscherinnen schrubben, schrubben. Die Waisenmädchen lachen, lachen. Die Teppichklopfer klopfen, klopfen. „GLORIA! von Margherita Vicario (Berlinale 2024, Wettbewerb)“ weiterlesen