The Bourne Ultimatum (Piazza Grande)

Mit nur zwei Filmen hat sich die Figur des persönlichkeitsprogrammierten Ex-CIA-Killers Jason Bourne (Matt Damon) zu einer ernsthaften und vor allem sehr zeitgemässen James-Bond-Konkurrenz entwickelt. Dabei bestehen die Filme aus wenig mehr als dem üblichen Eintopf aus Verschwörungs-Paranoia, High-Tech und den guten alten Verfolgungsjagden. Aber der aktuelle dritte Teil (Regie führte wie schon beim zweiten der Brite Paul Greengrass) macht nun schlagartig klar, was dieses Erzählsystem zur unschlagbaren Adrenalinpumpe gemacht hat: Es ist die simple Zuschauer-Symmetrie. Auf der einen Seite sitzt das Kinopublikum, hier in Locarno perfekt verkörpert von mehr als 6000 Menschen auf der Piazza Grande, auf der anderen sitzen die Guten und die Bösen in der CIA-Zentrale hinter ihrem Monitor-, Überwachungs-, Abhör- und Fernsteuer-System, und dazwischen der gute alte Kinoheld Jason Bourne, der rennt, schlägt, schiesst, fährt und grübelt. Nun kann die Verfolgungsjagd noch so komplex sein, der Schnitt so dynamisch, wild und verrückt wie noch nie: Dank dem Spiegelpublikum im Film, den Typen hinter den Monitoren in der Zentrale, verliert man nie die Übersicht. Die Bourne-Filme sind also eine Art Meta-Kino, oder sagen wir, ein Filmsystem mit eingebautem GPS, Action mit Wegleitung. Dazu kommt allerdings, und das wurde heute Nacht auf der Piazza Grande besonders deutlich, ein erstklassiger Schnitt, der das Achsen- und Koordinatensystem auch der komplexsten Szenerie perfekt in der Blick-Logik behält. Ob Bourne an Londons Waterloo-Station einen Guardian-Reporter an einem dutzend Agenten vorbeischleust (via Telefon), oder ob er über den Dächern und durch die Häuser in Tangier die süsse Nicky Blonsky (Julia Stiles) vor einem seiner Killer-Kollegen zu schützen versucht, man verliert nie die Orientierung und man verliert zugleich nie die Lust auf noch mehr Tempo und Action. The Bourne Ultimatum ist in der Tat die Quintessenz des aktuellen Action-Kinos, absolut massentaugliche Avantgarde und damit eine reife Leistung. Und auf der bis auf den letzten Platz gefüllten Piazza Grande bot sich ein faszinierendes Bild, wenn man sich während einer der Verfolgungsjagden einmal kurz umdrehte und etliche tausend Köpfe und Augenpaare im gleichtakt hin und herschwenkten, zusammen mit den gebündelten Lichtstrahlen aus der Projektionskabine. Plötzlich war man Jason Bourne, eingeklemmt zwischen den Verfolgern auf der Leinwand und dem faszinierten Publikum auf den Plastikstühlen…

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