Freigesprochen (Wettbewerb)

Der Österreicher Peter Payer (Jahrgang 1964) ist mit einer Buchverfilmung bekannt geworden: „Untersuchung an Mädeln“ nach Albert Drach, 1999. Sein neuer Film folgt dem Stoff eines bewährten und schon lange toten Österreichers, dem Theaterstück „Der jüngste Tag“ von Ödön von Horvath. Diese Geschichte vom Bahnwärter, der, wegen eines Kusses unaufmerksam geworden, ein Zugsunglück mit 22 Toten verursacht, von seiner eifersüchtigen Frau vor Gericht belastet und von der verliebten jungen Küsserin entlastet wird, ist schon
im Original bestechend direkt als Auseinandersetzung mit dem Thema Schuld. Payers in unsere Zeit umgesetzte Verfilmung mit Frank Giering als Bahnwärter und Corinna Harfouch in der Rolle seiner Frau ist faszinierend direkt, schnörkellos und fast zu perfekt inszeniert, jedenfalls der bisher bei weitestem perfektionierte Film im Wettbewerb. Und erst im Rückblick ist die Theaterstruktur der Geschichte wieder zu erkennen, im Kino überwiegt das Erlebnis. Und dieses Erlebnis wird immer mehr zu einem Suchterlebnis. Denn der Bahnwärter und die junge Frau entwickeln mit der Zeit fast schon ein krankhaftes Bedürfnis danach, sich ihrer Schuld immer und immer wieder neu zu versichern, erst einzeln und bald auch gemeinsam. Der Film suggeriert, dass nicht nur geteiltes Glück doppeltes Glück sei, sondern auch geteilte Schuld. Ein starker Film.

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