Dass auch wir privilegierten Journalisten mit unseren Festivalpässen dem Massencharakter des Festivals nicht entgehen, ist kein Geheimnis. Vor einzelnen Vorstellungen stehen wir bis zu eine Stunde lang geduldig wie Schlachtvieh in einzelnen, nach Kategorien (weiss = wichtig, rosa = Tagesmedien, blau = Wochenmedien, gelb = Monatsmedien, orange = Paria) organisierten Sauhaufen an. Bei türkischen oder chinesischen Filmen ist das nur eine Geduldsübung, am Ende kommen alle rein. Bei Filmen von Clint Eastwood oder einem Publikumsmagneten wie Indiana Jones artet das allerdings auch hier oft in eine „feeding frenzy“ aus, eine Art Massenpsychose. Jeder meint, den Film unbedingt sehen zu müssen (wegen eines Interviewtermins, oder weil die Leserinnen oder Hörer zuhause auf den Bericht warten wie auf einen Lottogewinn), und so wird dann plötzlich recht unzivilisiert gedrängelt. Denn eines ist klar: Zuerst kommen die weissen rein und die rosaroten mit den Punkten. Dann die normalen rosaroten und dann, wenn noch ein paar Plätze frei sind, die Blauen. Die gelben können essen gehen, die orangen sind schon gar nicht gekommen… Aber dieses Jahr ist eigentlich alles erstaunlich zivilisiert geblieben. Ausser bei Indiana Jones gabs keine zertrampelten Kolleginen oder Kollegen und so ist die Friedenstaube auf dem Schild für die Rotpassträger vor der salle Debussy ein durchaus ernstzunehmendes Symbol.