Cannes: Paolo Sorrentinos Il Divo

Il Divo von Paolo SorrentinoDer italienische Film hat wieder Helden. Und ganz an der Spitze von ihnen steht Paolo Sorrentino, der mich schon mit Le Conseguenze dell'amore und vor allem mit L'Amico di famiglia verblüfft hat. Sein jüngster Film dreht sich um Giulio Andreotti, einen der schillerndsten und langlebigsten italienischen Politiker überhaupt. Il Divo ist, knapp auf einen Nenner gebracht, der Film, den Oliver Stone wohl mit seinem Nixon gerne gemacht hätte, wenn er das Talent und die Vision dafür hätte. Das ist politlastige Dokufiktion in einem grotesken, hinreissend komischen Pop-Stil, den man gerade aus Italien nicht erwartet hätte. Sorrentinos Lieblingsdarsteller Toni Servillo spielt den Andreotti als Mischung von Nosferatu und Jabba the Hut aus Star Wars, als groteske Kunstfigur mit eben so viel Muppet-Show wie Realismus drin. Der Film und sein Soundtrack sind dermassen innovativ und temporeich, dass ich mir das ganze sofort noch einmal ansehen würde, trotz der unendlich vielen politischen Anspielungen, Verwicklungen, Querverweise. «Il Divo» ist kraftvolles, spöttisches, satirisches und gleichzeitig humanes Kino, wie man es aus Italien seit Fellinis mittlerer Periode nicht mehr gesehen hat. Zusammen mit dem zweiten italienischen Wettbewerbsbeitrag Gomorra von Matteo Garrone (in welchem übrigens Toni Servillo auch mitspielt) ist das wohl das stärkste Comeback einer nationalen Cinematographie, die ich je erlebt habe. Wäre da nicht auch noch der schreckliche Sangue pazzo von Marco Tullio Giordano in einer Spezialvorführung gewesen, müsste man sagen: Italien ist wieder da. Zumindest im Kino.

Kommentar verfassen