Nach diesem langen und von der radiophonen Ausbeute her eher frustrierenden Dienstag war dieser Film nun der nötige Aufsteller. Mit ihrem neunten Spielfilm hat die Kanada-Schweizerin Léa Pool es wieder geschafft, ihre grosse Stärke, die Un-Verschämtheit, zum Trumpf zu machen. Damit meine ich ihre Fähigkeit, Gefühle plakativ zu kontrastieren. Ihre erzählerische Technik ist nahe beim Melodram, aber sie erzählt realistisch. Das wird besonders klar bei dieser Sommergeschichte, in der drei Kinder im kanadischen Vorstadtidyll ihre Mutter verlieren. Sie nimmt Hals über Kopf eine Stelle in London an, um von ihrem Mann wegzukommen, der sie auf eine Weise betrogen hat, die in den sechziger Jahren einfach noch kein Thema war.Warum der Film in den Sechzigern spielen muss (liebevoll ausgestattet bis ins Detail), wird schnell klar, denn was diesen Kindern widerfährt, ist nicht das heutige Scheidungsdrama, das zwei Drittel aller Familien kennen, sondern die kalte Katastrophe, die aus der Technicolor-Idylle herausbricht. Léa Pool hat mit den Kinderdarstellern ein kleines Wunder geschaffen, der Film ist komisch, tragisch, herzzerreissend und schamlos rührend, und dies oft in einer einzigen Einstellung. Mich erinnert das an Douglas Sirk, aber wiederum nur „dem Pinselstrich nach“, um für einmal ein völlig schiefes Bild zu bemühen. Die Filmcooperative bringt „Maman est chez le coiffeur“ im Verlauf dieses Jahres ins Kino, hier in Solothurn wird Léa Pool nun aber vorerst mit einer Retrospektive geehrt.