Die ganze Woche war der Landhaussaal am Abend randvoll, die Schlangen am Platzkartenhäuschen lang, und ausgerechnet bei der ersten Verleihung des neuen Prix Soleure blieb fast ein Drittel der Stühle leer. Dafür standen überall in der Stadt Polizisten in Kampfmontur und etliche Fahnder in Zivil kontrollierten razziamässig junge Leute. Ich war blöd genug, einen Mann mit prächtigen dunklen Locken nach dem Grund für den Polizeieinsatz zu fragen, und erst auf sein Schulterzucken hin bemerkte ich, dass der Mann neben ihm eben daran war, seinen Ausweis mit einer Taschenlampe zu kontrollieren. Stellte sich heraus, dass eine Gruppe von Anti-WEF-Demonstranten einen Auftritt in Solothurn geplant hatte und die Polizei den Auftrag hatte, den zu verhindern. Offenbar war die Stadt aber so gründlich abgeriegelt worden, dass jene Filmtagebesucher, die mit dem Auto kommen wollten, aussen vor blieben. Was haben sie verpasst? Die strahlende Léa Pool, die den Publikumspreis entgegennehmen durfte, und die eben so strahlende Fanny Bräuning, die zusammen mit ihrem Produzenten und Cutter Kaspar Kasic den ersten Prix de Solheure bekam für No More Smoke Signals. Auch verpasst haben sie, wie der nur zu zwei Drittel gefüllte Saal sich dann noch weiter leerte, im Verlauf der Vorführung von Ayten Mutlu Sarays Film Zara. Das ist ein schwermütiges, um nicht zu sagen todtrauriges Bildgedicht über den Schmerz von Exilanten. Unendlich verlorene Frauen und Männer und Kinder irren in der kurdischen Steppe umher, repräsentieren viele Formen von erlittenem Unrecht und sorgen mit ihrem kryptischen Tun dafür, das mir als Zuschauer das Fremde noch fremder wird, dass ich mich plötzlich im Kinosaal verloren fühle wie ein Exilant in einem dunklen Land, dessen Sprache ich nicht verstehe. Ich denke nicht, dass dies die Absicht der Filmemacherin war, aber der Effekt war ziemlich durchschlagend.
Aber jetzt bin ich ausgeschlafen, die Sonne strahlt druch den Frühnebel über den Dächern von Solothurn und der seltsame Spuk der letzten Nacht scheint verschwunden.