Begegnung mit Ilija Trojanow

Ilija Trojanow am 21. Feb. 09 bei der filmcoopi in Zürich
Ilija Trojanow am 21. Feb. 09 bei der filmcoopi in Zürich

Wenn sie nicht gerade Nick Hornby oder Paul Auster heissen, treffen wir Filmjournalisten eher selten auf die Autoren von Filmvorlagen. Und wenn doch, dann sind diese Begegnungen meist von Vorsicht geprägt. Die Autoren wollen möglichst nur Gutes sagen über die filmische Umsetzung ihrer Werke. Und wir Filmjournalisten wollen uns – geprägt von der akademischen Hackordnung innerhalb unserer Metakunstbetriebe – nicht wie Analphabeten aufführen. Aber mein heutiges Treffen mit Ilija Trojanow in Zürich war ein echtes Vergnügen. Der mehrfach ausgezeichnete Autor und Weltensammler hat die Romanvorlage geschrieben für den bisher wahrscheinlich teuersten und grössten Film aus Bulgarien: The World is Big and Salvation Lurks Around the Corner. ‚Die Welt ist gross und Rettung lauert überall‚ heisst der Romanerstling Trojanows, der 1996 erschienen ist. Der Film von Stephan Komandarev, mit dem grossartigen Miki Manojlovic in der Rolle des Spielerkönigs Bai Dan, hat am letzten Zurich Film Festival den Publikumspreis gewonnen, und die Filmcoopi bringt ihn am 26. März ins Kino in der Deutschschweiz. Und warum genau war das Treffen mit dem Autor nun ein echtes Vergnügen? Nun, erstens, weil er ein sehr freundlicher und eloquenter Mann ist, der so sprudelnd und einfallsreich zu reden versteht, wie er schreibt. Vor allem aber darum, weil er sich nicht einfach als Werbe-Ambassador für den Film versteht, sondern mit Bedacht (und guten Argumenten) auf Einwände eingeht. Was für Einwände? Ich habe zuerst den Film gesehen, und dann das Buch gelesen. Und ich bin lange genug ins Kino gegangen, um Filme und ihre literarischen Vorlagen im streng darwinistischen Sinn als separate Nachkommen einer vorausgegangenen Idee zu begreifen. Oder mit anderen Worten: Kein Film stammt sozusagen direkt vom Affen ab (abgesehen vom Da Vinci Code/Sakrileg), immer liegen unzählige Mutationen und ausgestorbene Familienzweige zwischen Buch und Drehbuch. Und so haben mich auch weniger die Straffung und Vereinfachung von Trojanows Buch im schliesslich verfilmten Drehbuch erstaunt, sondern vor allem der Verzicht auf einige der unglaublich filmisch geschriebenen Bilder und Szenen im Buch. So fehlt zum Beispiel im Film genau jenes Bild aus dem Buch, das eigentlich das Motiv des Plakates beschrieben hätte, wäre die Szene so umgesetzt worden:

„Wir treten nun aus der Zeit aus und sehen: Alex in der Luft, mit offenen Augen, in Käferhaltung, die Arme ausgestreckt, wie ein Sieger, der sich ergibt, zwanzig Zentimeter über der Mauer. Und ohne musikalische Untermalung.“ (Seite 84 der dtv Taschenbuchausgabe)

Dabei heisst es weiter oben auf der gleichen Seite:

„Dies hier könnte die entscheidende Szene sein. Alex fliegt über den Eisernen Vorhang, in diesem Fall eine einmetersechzig hohe Mauer, seine Eltern haben diese letzte Hürde noch vor sich, ein Soldat schreitet mit gedämpfter Verwirrung davon.“

Aber Ilija Trojanow, der an der ersten Fassung des Drehbuches noch mitgearbeitet hatte, erklärt überzeugend und einleuchtend, dass es ganz klar einen Punkt gebe, an dem man als Autor seinen Stoff in andere Hände geben müsse. Und er erklärt eben so einleuchtend, warum ihm die meisten Verknappungen und Veränderungen des Drehbuch nachvollziehbar scheinen und schienen. Die meisten, nicht alle. Das machte das Gespräch fruchtbar und hilfreich. Und das ergibt dann, voraussichtlich in der letzten Märzwoche, zum Start des Filmes in der deutschen Schweiz, eine eben so einleuchtende wie vergnügliche Reflexe-Sendung auf DRS 2.