Nyon 09: L’encerclement – la démocratie dans les rets du néoliberalisme

l'encerclement Plakat

Nachtrag vom 29. April 2009: Grand prix des Visions du Réel Nyon 2009

Die Umzingelung – Die Demokratie in den Fängen des Neoliberalismus. Was für ein Titel. Und was für ein Film! Visions du réel in Nyon hat das Publikum und die Tradition für solche filmische Parforcetouren. Und so haben wir uns heute 160 Minuten lang von analytischen Köpfen wie Ignacio Ramonet, Noam Chomsky oder Susan George anregen lassen, das moralische und ethische Chaos in unseren eigenen Köpfen eventuell ein wenig neu anzuordnen. In zwei Teilen und zehn Kapiteln lässt der junge Kanadier Richard Brouillette 13 Fachleute, Vor-, Nach und Durchdenker des Kapitalismus zu Wort kommen, eingebetten in die Musik Eric Morins, in einer Konstruktion, welche Jean Perret, der Direktor des Festivals als „théâtre de la parole articulée“ bezeichnet, als Theater des geprochenen Wortes.

Erstaunlich ist an diesem Dokumentarfilm einiges, nicht zuletzt der Umstand, dass man sich die 160 Minuten mühelos gefallen lässt. Ausgehend von Ignacio Ramonets Leitartikel zur „pensée unique“ von 1995 (verkürzt zusammengefasst: die uniforme Staatsdoktrin der Diktaturen der 30er Jahre ist heute praktisch global ersetzt durch das Denksystem des Neo-Liberalismus), fasst der praktisch ausschliesslich via „talking heads“ in Schwarzweiss bestückte Filme zuerst die Grundlagen und die Geschichte des Neoliberalismus zusammen, dann seine Entwicklung und Ausbreitung via Schulung, Propaganda und Medien und gipfelt dann schliesslich in der korporativen Veschwörungstheorie zwischen WTO, Weltbank und IMF, welche nach den Ausführungen nichts mehr von einer Theorie hat, und schon gar nichts von einer Verschwörung: Die Fakten liegen auf dem Tisch, die Resultate mittlerweile auch, und auch die Ziele, die Akteure und die eingesetzten Mittel sind bekannt. Auffällig sind bei der Wahl der 13 Spezialisten etliche Dinge. Zum Beispiel dass, mit der unverwüstlichen und luziden Susan George nur eine einzige Frau dabei ist. Zum Beispiel, dass der frankophone Sprachraum erstaunlich klare Denker beisteuert, auch wenn Altvater Noam Chomsky noch immer am abgeklärtesten wirkt und am ruhigsten und einleuchtendsten redet. Und dass nicht nur keine Protagonisten aus dem deutschen Sprachraum auftauchen, sondern vor allem, dass unser aller Jean Ziegler für einmal einfach ausgelassen wird.

Die 160 Minuten von L’encerclement sind ein klares, einleuchtendes und spannendes Crash-Seminar in Sachen Neo-Liberalismus. Die DVD existiert und sie kann hier bestellt werden  ich werde versuchen, die Bezugsquelle hier nachzuliefern. Und ein kurzes Interview mit dem Filmemacher Richard Brouillette sollte in den nächsten Tagen auch noch dazu kommen. Hier schon mal sein Gesicht:

Richard Brouillette l encerclement

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