Cannes 09: Bright Star von Jane Campion

'Bright Star' von Jane Campion
‚Bright Star‘ von Jane Campion

Die kurze, heftige, vom nahen Tod des Dichters gezeichnete Liebesgeschichte zwischen dem 23jährigen Romantiker John Keats und seiner 18jährigen Nachbarin Fanny Brawne bezieht ihre unsterbliche Faszination – wie viele der Geschichten rund um die Romantiker – aus der Art, wie sie ihre schwärmerische Weltsicht in ihr tatsächliches Leben integrierten. So wie Jane Campion ihren Film angelegt hat, als vordergründig unsentimentalen, realistischen Vorstoss ins Jane-Austen-Territorium, verstärkt sie genau dieses erzromantische Element der lodernden Gefühle. Sie führt die junge Fanny als Fashion-bewusste Designerin und Näherin ein, zeigt die Schauspielerin Abbie Cornish zu Beginn des Films mit Nadel und Faden und dann bald darauf selbstbewusst, direkt und gnadenlos ehrlich in einem ländlichen Salon in Londons Vorort Hampstead, wo sie und ihre Familie den Dichter Charles Brown und seinen Freund Keats besuchen. Wirkt dieser erste Besuch noch ein wenig expositorisch, entfalten die nächsten Szenen bereits den leisen Sog, welcher diesen Film kennzeichnet: Die jungen Leute um Brown und Keats, um Brawne und die anderen reden über Dichtung und Gedichte mit der gleichen Leidenschaft, wie heutige Cinéphile über das Kino und die Filme und die Arbeit eines verehrten Könners.

Jane Campion bleibt filmend immer auf Distanz, fast so, wie auch Abbie Cornishs Fanny Brawn bemerkenswerterweise immer zugleich schwärmerisch, leidenschaftlich und nüchtern zugleich auftritt. Zusammen mit der natürlich wirkenden Tageslichausleuchtung der historisch detailliert aufgebauten Sets, den Kostümen und dem Verzicht auf einen musikalischen Score ergibt das eine eigenwillige Stimmung. Bilder, die stets knapp vor dem elegischen Absaufen gefrieren, Settings, die auch Merchant-Ivory so genutzt hätten, aber mit Musik und der Intention, die Zuschauer einzusaugen. Während Jane Campion es uns sozusagen zur freien Entscheidung überlässt, ob wie die Schönheit der Bilder zur eigenen Trunkenheit nutzen möchten, oder wach und nüchtern bleiben. Damit schafft der Film genau die emotionale Distanz, die man braucht, um die Entscheidung der Figuren für ihre Gefühle und den romantischen Überschwang überhaupt verstehen zu können. Das ist eine beeidruckend reife Leistung der 55jährigen Regisseurin. Die schlichte, unausweichliche, fast schon animalische Leidenschaft, welche The Piano 1993 zum Welterfolg machte, vermissten campions Fans in ihrem nächsten Film The Portrait of a Lady, und manche schrieben ihre Enttäuschung der angeblichen Kälte im Spiel von Nicole Kidman zu. Dabei brauchte die Henry-James-Verfilmung genau diese Distanz und die kühle Überlegtheit. Holy Smoke mit Kate Winslet war dann dafür genau das Gegenteil – auf den ersten Blick: Pure Leidenschaft und Hingabe der weiblichen Hauptfigur an die Idee der absoluten Liebe ihres Gurus. Und völlige Verfallenheit des von Harvey Keitel gespielten Deprogrammierers angesichts der manipulativen Intelligenz und, ja, kühlen Überlegenheit der jungen Frau.

Fanny Brawn, so wie sie Abbie Cornish nun in Bright Star spielt, ist die Synthese der Isabelle Archer aus The Portrait of a Lady und Kate Winslets Ruth aus Holy Smoke. Cornish hat beides, die Kontrolle und die Leidenschaft. Dass ihre feinen Gesichtszüge darüber hinaus auch noch sehr stark an jene von Nicole Kidman gemahnen, macht ihr Spiel doppelt faszinierend. Dass John Keats von diesem Gesicht und diesen Augen zu jenem Gedicht inspiriert wurde, das dem Film seinen Titel gibt, ist leicht nachzuvollziehen:

BRIGHT star! would I were steadfast as thou art—
Not in lone splendour hung aloft the night,
And watching, with eternal lids apart,
Like Nature’s patient sleepless Eremite,
The moving waters at their priestlike task
Of pure ablution round earth’s human shores,
Or gazing on the new soft fallen mask
Of snow upon the mountains and the moors—
No—yet still steadfast, still unchangeable,
Pillow’d upon my fair love’s ripening breast,
To feel for ever its soft fall and swell,
Awake for ever in a sweet unrest,
Still, still to hear her tender-taken breath,
And so live ever—or else swoon to death.

John Keats (1819)

Abbie Cornish in 'Bright Star' von Jane Campion
Abbie Cornish in ‚Bright Star‘ von Jane Campion

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