Nifff 09: ‚Dead Snow‘ – ‚Død snø‘ von Tommy Wirkola

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Zombies sind wirklich universell einsetzbar, sie sind pflegeleicht, günstig in der Anschaffung und eben so leicht zu entsorgen. Und dass sie sich unter so gut wie allen klimatischen Bedingungen vermehren, unter bestimmten Wetter- und Temperatureinflüssen offenbar sogar richtig beweglich werden, war in der letzten langen Nacht des diesjährigen NIFFF zu erfahren. In Tommy Wirkolas Død snø (Dead Snow) habe ich die schnellsten Zombies der bisherigen Filmgeschichte gesehen. Das ist allerdings der einzige filmhistorisch relevante Fakt, den diese norwegische Produktion zu bieten hat. Der Rest ist klassisches WYSIWYG, mithin aber auch genau das, was die Fans von Gore & Zombie erwarten wollen und dürfen. Die Bilder von den zombifizierten Nazisoldaten und der brachiale Trailer haben diesem norwegischen Zombiethriller innert kürzester Zeit zu ordentlich Internet-Buzz verholfen.

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Der Plot ist der übliche: Ein Gruppe junger Leute, in diesem Fall Medizinstudenten, verzieht sich in einsame Hütte für ein paar ausgelassene Tage. Dass sich die Hütte diesmal in den norwegischen Bergen befindet, im Schnee, ist der hauptsächliche Unterschied zu vergleichbarer amerikanischer Ware – plus der Umstand, dass es sich bei den Zombies um eine Einsatzgruppe besonders brutaler Nazisoldaten handelt, welche kurz vor dem Ende des zweiten Weltkrieges von der lokalen Bevölkerung in die Berge verjagt wurde. Natürlich macht der Remix zweier klassischer Exploitation-Genres nicht nur bei diesem Film den eigentlichen Signalreiz aus. Ähnlich wie bei Peter Pontikis‘ Vampyrer, welcher Vampirfilm und Biker-Movie kombiniert, entsteht der Reiz aus der Schnittmenge der Genre-Spielregeln, insbesondere dort, wo diese eigentlich nicht kompatibel sind. So sind „klassische“ Zombies langsam, aber beharrlich, und nur durch Zerstörung des Schädels wirklich zu stoppen. Sie kommunizieren nicht, und sie denken nicht (auch wenn Zombie-Vater George A. Romero seinen Geschöpfen mittlerweile eine progressive Evolution zugesteht). Film-Nazi dagegen sind brutal, fanatisch, sadistisch, raffiniert und in Gruppen organisiert. Das interessiert Tommy Wirkola allerdings höchstens am Rande. Dead Snow läuft plotmässig auf der denkbar einfachsten Schiene: Im Titelvorspann kommt ein erstes Opfer ums Leben, ohne dass genau zu sehen wäre, wer oder was dafür verantwortlich ist. Dann begleiten wir die gemischte Gruppe junger Leute in die Hütte und lernen sie dabei gerade soweit kennen, um sie auseinanderhalten zu können. Der Filmfan, der Medizinstudent, der kein Blut sehen kann, die sexy Blondine, die patente, vernünftige Freundin. Bald taucht auch der obligate seltsame Kauz auf, der inkohärente Warnungen ausspricht und ein wenig Lokalgeschichte hinzufügt. Wenn die Blondine den dicken Filmfan auf der Toilette verführt, ist auch schon klar, wer das erste Opfer sein wird, und von diesem Moment an läuft der Film wie ein Uhrwerk.

Das alles ist nicht nur regelkonform, sondern durchaus auch effizient, Wirkola weiss genau, was sein Publikum erwartet. Und er liefert: Originell (im Sinne des Genres) sind nämlich vor allem die Gore-Momente; die vielen filmgeschichtlich erprobten Möglichkeiten, Gedärme aus Bauchhöhlen zu extrahieren, werden um ein paar Varianten mit besonders hohem Kreischfaktor (im Kino) erweitert, und der Umstand, dass die Protagonisten sich in Sachen Zombies auskennen, führt auch zu einer wirklich urkomischen, zweistufigen Auto-Amputation aus innerer Notwendigkeit. Was das erwähnte atypische Tempo der Untoten angeht: Auch da hält sich Wirkola an die Spielregeln, indem er die Möglichkeiten der Montage und insbesondere des Sounddesigns ausreizt. Rasend schnell sind die Monster nämlich nur, solange sie nicht wirklich im Bild sind. Im Übrigen ist vor allem die Tonspur technisch auf hohem Niveau. Neben dem gut dosierten Einsatz diverser Musikstile (inklusive eines ironischen Peer Gynt-Themas im Titelvorspann) ist es vor allem das raubtierartige Brüllröhren der Nazi-Zombies, das den filmischen Raum beeindruckend erweitert. Dass Sound aus dem Off dem Publikum seine effektive Lähmung (was den autonomen Blick angeht) effizient nahe bringt, nützt Wirkola gekonnt und ungebremst aus.

Die Fans haben den Film am NIFFF goutiert, der Rest des Publikums hatte wieder einmal Gelegenheit, sich vor Augen zu führen, wie die tragende Struktur des Genrekinos aussieht. Denn innerhalb des Erzählkinos sind es die stur regelkonformen Filme, die unoriginellen, aber effizienten „Arbeitspferde“, welche den Boden bilden für alles, was das fantastische Labor Kino wachsen und mutieren lässt.

DeadSnow Chainsaw

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