Keiner sülzt feiner! Nick Cassavetes, Sohn von John Cassavetes und Gena Rowlands, versenkte die Piazza Grande heute nicht zum ersten Mal ins Rührungstränenmeer. Mit The Notebook von 2004 hatte er nicht nur eine mächtig rührselige Liebesgeschichte inszeniert, sondern auch gleich noch seine Mutter als Schauspielerin. Und nun My Sister’s Keeper – eine ziemlich verrückte Familiengeschichte: Im Zentrum steht die von Abigail Breslin (Little Miss Sunshine) gespielte 11jährige Anna Fitzgerald, die ihre Eltern verklagt, weil sie als Retortenbaby von ihnen in die Welt gebracht wurde, um ihrer krebskranken älteren Schwester als Spenderin diverser Körperprodukte von Nabelschnurblut bis Knochenmark zu dienen. So aberwitzig wie in dieser Beschreibung lässt sich das allerdings nicht an, denn die Familie wird alles in allem als typisch amerikanische, liebevolle Eltern-Geschwister-Konstellation gezeichnet.
Und das ist schliesslich auch der spezielle Twist dieses Filmes, denn ab dem Moment, in dem die von der hinreissenden Abigail Breslin gespielte Anna den vom meist eben so hinreissenden Alec Baldwin gespielten Anwalt auf ihre Mutter loslässt, ist das absolute Wechselbad der Gefühle eröffnet. Die Leidens- und Liebesgeschichte der Familie Fitzgerald wird von Cassavetes über alle Oktaven der hollywoodschen Gefühlsklaviatur gespielt. Ein Kollege hat das als Emotionsporno bezeichnet, ein etwas starker Ausdruck für einen Film, der als Rührmaschine konzipiert wurde. Problematisch ist allerdings vor allem, dass die Berg- und Talfahrt der Emotionen ein paar Runden zu viel durchgehalten wird, und dass Cassavetes das Ganze auch noch mit einer ziemlich dicken Musiksosse überziehen liess. Irgendwann ist man für die regelmässig eingestreuten Momente des ‚Comic Relief‘ dermassen dankbar, dass man auf den Weg zurück in die Rührung danach verzichtet. Aber grundsätzlich ist gerade die absolut ungebremste Emotionalisierung und die gnadenlose Wechselbaderei von My Sister’s Keeper etwas, das durchaus Respekt verlangt. Denn es sind nicht billige Rühreffekte, welche hier spielen, sondern grösstenteils ausgezeichnet geschriebene und inszenierte Szenen, getragen von einem wirklich starken Ensemble erfahrener Schauspieler.