Meistens ist es kein gutes Zeichen, wenn man in Versuchung kommt, einen Film als „eine Mischung aus…“ zu bezeichnen. Aber diesem skurrilen Monster lässt sich so am leichtesten eine Rampe bauen. Die verrückten Larrieus haben keine Mühe und keinen Aufwand gescheut, die letzten Tage der Welt so absurd, überbordend und gaga-kafkaesk ins Bild zu rücken, dass ich nun frohgemut behaupte, da treffe das Location- und Gadget-Konzept der James-Bond-Filme auf die dekorative Dekadenz von Fellinis Satyricon und alle bisherigen Endzeitfilme. Und als ob das nicht genüge, stolpert Mathieu Amalric von einer überdrehten Frauenfigur zur nächsten, wie ein Woody Allen, der eine Überdosis Luis de Funès abbekommen hat.
Die Larrieu-Brüder haben für den Film offenbar gleich zwei Romane von Dominique Noguez verwendet, und eine heisse Riege unvergesslicher Schauspielerinnen und Schauspieler. Neben Mathieu Amalric chargieren Karin Viard, Catherine Frot und Sergi Lopez, und die umwerfende Sabine Azéma hat einen stummen 60-Sekunden-Auftritt von unnachahmlicher Theatralik: Sie starrt wild in Kamera, wirf sich auf ein Bett, zieht das Leintuch über sich und legt ein Kreuz auf das nunmehr verdeckte Selbst. Dies, halbwegs nachvollziehbar, weil sie eben erfahren hat, dass ihre Tochter dem Endzeitvirus erlegen ist, wie Tausende anderer übrigens auch. An Sterbenden und Toten herrscht kein Mangel in diesem Film, und doch wird er beherrscht von einer Fröhlichkeit, die sich immer wieder im Bild oder gar im Satz „enfin libres!“ erahnen lässt. Einer der Höhepunkte zeigt ein paar Geier, welche auf im Stau steckengebliebenen Autos sitzen und ihre Insassen aufpicken. Ein anderer die Küchenmannschaft eines grossherrschaftlichen Schlosses, welche die ganze Festgemeinde des Schlossherrn mit der Bowle vergiftet hat, um sich dann in Ruhe im zehn Mann fassenden Überlebenskeller nieder zu lassen. Die Tragik nimmt kein Ende, und Mathieu Amalric stolpert als stoischer Robinson mit weit aufgerissenen Augen durch Trümmerfelder und Menschenmengen. Der personelle Aufwand des Films ist enorm, allerdings haben die Larrieus mit viel Nonchalance Chaos-Events wie die Stierhatz in Pamplona oder das Strandleben von Biarritz quasidokumentarisch eingebaut und damit wohl Millionen gespart.
Das ist ein aufgeräumt chaotischer Endzeitfilm, der aufräumt und abräumt, alles auffährt und auf alles abfährt, was irgendwie mit Entscheidungsfreiheit und Beziehungszwängen zu tun hat. Auf der Piazza Grande in Locarno hat leider ein massives Gewitter einen guten Teil des perplexen Publikums vertrieben, nachdem schon der Katalog des Festivals vorsorglich warnte, dieser Film könne allenfalls Sensibilitäten verletzen.
Könnte er möglicherweise. Aber man muss schon sehr verbiestert sein, um diesem liebenswert ungebremsten Monstrum von Endzeit-Vision mit gerunzelter Stirn zu begegnen. Les derniers jours du monde startet nächste Woche in der Westschweiz und in Frankreich, ob der Schweizer Verleiher Frenetic Films ihn auch in der Deutschweiz herausbringt, hängt dann wohl vom Echo ab. An mir soll das nicht scheitern: Ich will den noch mal sehen.