Mobiltelefone als Plotkiller

98 Prozent aller Film-Thriller, die vor 1990 entstanden sind, würden heute nicht mehr funktionieren. Aus dem einfachen Grund, dass sie samt und sonders davon lebten, dass die Hauptfiguren in entscheidenden Momenten wichtige Informationen nicht hatten – das Publikum aber schon. So hat Hitchcock Suspense definiert, und so hat das Prinzip fast hundert Jahre lang funktioniert. Aber dann kamen die Mobiltelefone, und plötzlich muss sich jeder Drehbuchautor einen Kniff einfallen lassen, um die verdammten Dinger im entscheidenden Moment aus der Gleichung zu nehmen. Der obige YouTube-Clip stellt eine erdrückende Reihe solcher cop-outs zusammen. Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, die wenigen, cleveren Thriller, die gerade auf das Telefon oder das Mobiltelefon als Plotdevice setzen:

Grace Kelly in Gefahr in 'Dial M for Murder'
Grace Kelly in Gefahr in 'Dial M for Murder'

Hitchcocks Dial M for Murder ist ein frühes, smartes Beispiel. Das Remake A Perfect Murder mit Michael Douglas ein etwas weniger smartes. Dann Joel Schumachers gut gemachter Phonebooth mit Colin Farrell, und natürlich Cellular mit Kim Basinger und sein rasantes Hongkong Remake Bo chi tung wah. Aber auf den Film, der damit spielt, das alle Figuren zu jedem Zeitpunkt an jede Information rankommen, auf den warte ich noch immer. The Bourne Ultimatum war immerhin schon nahe dran, mit seiner Zweiteilung der Protagonisten in die Überwacher in der Zentrale (welche natürlich das Äquivalent zum Kinopublikum darstellen) und den Überwachten, welche im Dauerlauf versuchen, falsche Informationen in die bestehenden Kanäle einzuspeisen. Und Tom Tykwers The International kam auch schon recht nahe an die Kommunikationsrealität.

2 Antworten auf „Mobiltelefone als Plotkiller“

  1. „24“ bietet, was du suchst. Alle sind immer und überall. Jeder und jede hängen am Phone, im Netz, sind über Satelliten verbunden/getrennt/manipuliert/überwacht/etc. TV-Serien sind dem Kino nicht nur in dieser Hinsicht schon Lange voraus. Bei BOURNE und INTERNATIONAL (beide finde recht gut), wars in dieser Hinsicht post-24. Wobei 24 wohl manchmal eher zu weit, über die Realität hinaus, geht, muss ich anfügen. Immerhin gabs keine „Durch-die-Häuserwand-blickenden Überwachungssatelliten wie in Tony Scotts brillantem THE ENEMY OF THE STATE.

    Die Filmreihe zu deinem Blogeintrag gibts im Oktober übrigens in Basel zu sehen: http://stadtkinobasel.ch/filmreihe_stadtkino.php?rid=32&m=2

  2. @ primo: Ja, die spannendsten Filmreihen zeigen immer alle dann, wenn ich in den Ferien bin. Für den einen oder anderen wird es aber noch reichen in Basel. Und mit „24“ hast Du natürlich recht, aber die Serie hat (bevor sie sich totlief) ja ohnehin fast alle Formalismen des Kinos gesprengt.

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