Duisburg 09: SOUNDS AND SILENCE von Norbert Wiedmer und Peter Guyer

Manfred Eicher und Arvo Pärt in Sounds and Silence
Manfred Eicher und Arvo Pärt in 'Sounds and Silence'

Filme reagieren auf ihre Umgebung, das ist eine klassische Festivalerkenntnis. Am Filmfestival von Locarno, letzten Sommer im August, konnten sich die Schweizer Dokumentarfilmer Norbert Wiedmer und Peter Guyer anlässlich der Uraufführung von Sounds & Silence feiern lassen. An der Viennale vor einer Woche wurde die Vorführung zu einem kleinen Triumph – nicht zuletzt dank der der Anwesenheit etlicher Musiker aus dem Film rund um den renommierten Produzenten Manfred Eicher. Hier in Duisburg heute morgen gab es neben der Begeisterung aber auch kritische Stimmen – und gerade dies spricht paradoxerweise wieder für den Film: Die Duisburger Filmwoche, bekannt, beliebt und berüchtigt für ihre Diskussionskultur und die ideologischen Grabenkämpfe im Publikum ist in den letzten Jahren zahmer geworden. Das heisst: Das Publikum ist jünger und zahmer geworden, Ideologie, politische Grundsätze, theoretische Vorgaben sind ihm zunehmend fremd geworden, und insofern waren die Diskussionen in diesem Jahr (wie immer in den wunderbaren Protokollen nachzulesen) weitgehend einem Konsens verpflichtet. Anders bei Sounds and Silence:

Der wirklich schöne, mit handwerklicher Perfektion und gestalterischer Verve gebaute Film hat nicht nur Zustimmung erfahren, sondern auch Schelte bezogen. Für die unhinterfragt positive Darstellung seiner zentralen Figur, dem Musikproduzenten Manfred Eicher, für die ungebrochene Schönheit seiner Bilder, für die angeblich fehlenden Brüche und die fehlende Stille. Und fast alle Vorwürfe waren irgendwie nachvollziehbar, auch wenn Norbert Wiedmer auf dem Podium damit deutlich mehr Mühe bekundete als Peter Guyer. Sounds & Silence zeichnet tatsächlich ein fast hagiographisches Bild seiner zentralen Figur. Dieser Manfred Eicher hat keine Zweifel, keine Fragen, er produziert, weist an, ergänzt und dient den Filmern als Reiseleiter auf ihrem Trip von Musiker zu Musiker, von Aufnahme zu Aufnahme. Er ist zurückhaltend, spricht kaum selber, ist auch bei der Arbeit nur selten zu hören.

Aber über die Sessions mit Arvo Pärt in Tallinn, mit Nik Bärtsch, Dino Saluzzi und anderen Weltstars wird er zumindest ansatzweise fassbar. Und was wirklich fassbar wird, ist eben die Arbeit an der Musik, an den Aufnahmen. In dieser Hinsicht ist der Film fast eine Parallelmontage, in einer besonders eindrücklichen Sequenz sogar multisynchron: Da legen die Filmer die Produktionsaufnahme mit Nik Bärtsch unter die Bilder der Arbeit seines Klaviermeisters, der den Flügel repariert, die Hämmerchen testet. Die rhytmisch auftauchenden Hämmer laufen nicht nur bildsynchron zur Musik, sogar der Ton schmiegt sich in die Musik ein. Dass Wiedmer und Guyer für solche Synästhesien nicht nur Lob einfahren in Duisburg ist nicht weiter verwunderlich. Schliesslich gilt hier immer noch die Tradition des cinéma verité, des rohen, unverfälschten Bildes, der nachvollziehbaren dokumentarischen Situation. Gleichzeitig entsprechen aber diese ausgeklügelten, liebevoll perfektionierten Sequenzen dem Ideal von Manfred Eicher, dessen Produktionen Puristen manchmal ebenfalls ihre allzu glatte Perfektion vorwerfen.

Sounds & Silence ist ein Film, in den man eintauchen kann, dem man sich gerne überlässt, und der einen auch trägt – manchmal vielleicht trügerisch, aber sehr angenehm. Dass das Duisburger Publikum sich ausgerechnet von diesem intellektuell und handwerklich überaus durchdachten und perfektionierten Kinostück wieder einmal zu einer Kontroverse hat hinreissen lassen, spricht für den Film.

In den Kinos der deutschen Schweiz startet der Film am 19. November 2009, etliche Vorpremieren sind geplant.

Norbert Wiedmer und Peter Guyer
Norbert Wiedmer und Peter Guyer

Eine Antwort auf „Duisburg 09: SOUNDS AND SILENCE von Norbert Wiedmer und Peter Guyer“

  1. Nun ja, da mißverstehen aber vielleicht auch einige den Duisburger Impetus, den ich vor allem in diesem Falle nicht als politisch sehe. Die schärfsten Einwände kamen bezeichnenderweise von zwei Editoren und im Schnitt liegt auch das Hauptproblem: es gibt kaum Luft zum Atmen in diesem Film, es reiht sich TOLL an TOLL an TOLL. Natürlich ist das alles wunderschön und hinreißend, perfekt komponiert – im einzelnen Übergang, eine Dramaturgie erkenne ich nicht. Ich glaube nicht, dass mit „Brechung“ gemeint war, dass irgendetwas gewollt eingerissen gehöre, sondern nur die Bitte um etwas Luft war, was den wahnsinnig spannenden Menschen und ihrer Arbeit eigentlich nur noch mehr Geltung hätte verschaffen können. So war es ein ellenlager Trailer für 4 Filme, die es nicht gibt. Ich bedauere dies schlichtweg. Davon abgesehen halte ich es für eine grobe Nachlässigkeit so lapidar mit einem Filmtitel umzugehen – silence ist nirgends und das läßt sich auch nicht mit einem „klang halt schmissig“ begründen. Da muss ich dann doch an der Professionalität zweifeln. Wie aber ein anderer Diskussionsteilnehmer schon anmerkte – es gibt genug Menschen, für die dieser Film eine Offenbarung sein kann. Ich fand es persönlich einfach schade um die vier Filme, die ich nach diesem Film gerne gesehen hätte, die es aber nicht gibt.

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