SUNNY HILL von Luzius Rüedi

Gemeinsam in den alpinen Freitod 'Sunny Hill' von Luzius Rüedi © Stamm Film
Gemeinsam in den alpinen Freitod: 'Sunny Hill' von Luzius Rüedi ©Stamm Film

Hier kommt ein kleiner, raffinierter und mutiger, vor allem aber ein mit einfachsten Mitteln und kleinem finanziellem Aufwand gedrehter Schweizer/deutscher Film. Sieben junge Schauspieler verkörpern sieben junge Menschen. Sechs von ihnen haben sich in einem Internetforum für Suizidwillige kennengelernt und zum gemeinsamen Selbstmord in den Schweizer Bergen verabredet. Der Film Sunny Hill setzt ein, als Gabriel (Karsten Mielke) die anderen in München mit dem Auto einsammelt und die bedrückte Gruppe zum Bergchalet seiner verstorbenen Grosseltern in der Schweiz fährt. Die Gruppenzusammensetzung erinnert zunächst an einschlägige Genrefilme aus der Horror-Ecke für Teenager. Da sind die üblichen drei Frauen: das verkorkste Nesthäkchen Maja (Uta Kargel), die zornige Jo (Araba Walton) und die türkischstämmige Anil (Maryam Zaree), und drei Männer: der souveräne und abgeklärte Initiator Gabriel, der nervös und nicht ganz entschlossen wirkende Raphael (Christian Samuel Weber) und schliesslich das Arschloch der Gruppe, der arrogante, selbstbezogene Partyveranstalter Michael (Patrick Rappold).

Im Genrekino würden diese Figuren nun in wechselnder Kombination einer dezimierenden Entität ausgesetzt, bis nur noch das ‚final girl übrig bleibt. Aber Sunny Hill ist kein Slasher Film, sondern ein klassisches Kammerdrama, eine huit-clos-Anlage mit besonderem Twist. Denn die jungen Leute richten sich in der Ferienwohnung erst einmal lagermässig ein, kochen, stossen an und reden.

Araba Walton, Karsten Mielke und Patrick Rappold in 'Sunny Hill' © Stamm Film
Araba Walton, Karsten Mielke, Patrick Rappold in 'Sunny Hill' ©Stamm Film

Erst nach dem Frühstück am nächsten Morgen gehts zur Besichtigung des Felsvorsprungs, von dem sie in den Tod springen wollen. und wiederum erst einen Tag später soll das Vorhaben dann tatsächlich ausgeführt werden. Hier erweist sich die einfache Raffinesse des Drehbuchs von Sunny Hill. Denn der Film lebt von drei generellen Spannungsmomenten, die alle in schöner Balance gehalten werden: Zum einen möchten wir von jeder einzelnen Figur wissen, warum sie sich denn umbringen will. Zum zweiten möchten das die einzelnen Figuren auch voneinander erfahren, und schliesslich stellt sich für alle, das Publikum und die Figuren, die Frage, ob und wie dieser Gruppensuizid schliesslich vollzogen wird.

Mit sechs Personen in wechselnder Kombination ergibt sich viel dramaturgisches Potential, diese Fragen anzugehen, zu verzögern, oder auch mit überraschenden Zusatzinformationen wieder neue Fragen aufzuwerfen. Dass die Inszenierung dabei fast immer filmisch bewegt und im Raum aufgelöst stattfindet, sorgt dafür, dass kaum je das gefürchtete Bühnengefühl aufkommt. Und die wenigen, strategisch gut verteilten Einblicke in das Vorleben und die Motivation der einzelnen Figuren sorgen dafür, dass neben der Binnenspannung der einzelnen Szenen auch immer wieder ein Spannungskick aus der Gesamtanlage heraus die Dynamik erhöht. Selbst die eigentlich fast unmögliche Auflösung der Spielanlage am Ende folgt einer befriedigenden psychologischen und dramaturgischen Spannung, ohne einen deus ex machina zu bemühen und ohne emotionalen Betrug am Zuschauer.

Maryam Zaree und Karsten Mielke in 'Sunny Hill' © Stamm Film
Maryam Zaree und Karsten Mielke in 'Sunny Hill' ©Stamm Film

In der „NZZ am Sonntag“ (leider nicht online) von heute weist Kollege Christian Jungen (im Hinblick auf die kommenden Solothurner Filmtage) darauf hin, dass dem Schweizer Spielfilm der Mut und die Relevanz abhanden gekommen seien. Mit überwiegend fernsehtauglichen Publikumsfilmen und ländlichen Komödien beweisen tatsächlich weder die Filmemacher noch die Filmförderer derzeit überragend viel Mut zum Risiko. Und leider stimmt das wohl auch im Hinblick auf die Filmverleiher und die Kinobetreiber. Eine „grosse“ Kiste wie der aktuelle Grosse Kater mit Bruno Ganz wird zwar mit ordentlich PR und Medienbearbeitung lanciert, aber kleine, raffinierte Filme wie Sunny Hill gehen dabei unter. Gerade und vor allem, wenn sie, wie jetzt Sunny Hill, im Windschatten der Grossen ins Kino gebracht werden. Sunny Hill war vor einem Jahr an den Solothurner Filmtagen zum ersten Mal zu sehen. Jetzt startet der Film am nächsten Donnerstag, am gleichen Tag, an dem die diesjährigen Filmtage und der Kinostart von Der grosse Kater die gesamte Medienaufmerksamkeit im Filmbereich belegen. Damit droht dem interessanten kleinen Werk ein ähnliches Schicksal, wie dem völlig zu Unrecht von Kritik und Publikum gleichermassen übersehenen Im Sog der Nacht (der jetzt wenigstens auf DVD eine zweite Chance bekommt).

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