Paul ist nicht wirklich ein Mann. Wenn überhaupt, dann ist der Bergbauer das Produkt einer rohen Dressur, einer nicht erlebten Erziehung, oder, eher noch, der nachwirkende Versuch einer Filmemacherin, eine Abstraktion zum Leben zu erwecken, einen künstlichen Archetypus. Er mag ein tierisches Herz haben, dieser Bergbauer, ein Herz voller Wut und Angst. Auf jeden Fall behandelt er sein Vieh mit mehr Zuneigung und Verständnis als seine Frau, ist wortloser Patron und Rassist gegenüber seinem spanischen Wanderknecht. Selbst als die Frau, von der er denkt, sie sei schwanger, zusammenbricht, weigert er sich, einen Arzt holen zu lassen. Und als sie schliesslich doch im Spital landet, weigert er sich lange, sie zu besuchen. Coeur animal ist in der Tat ein Gewaltsfilm, ein Erlebnis, das nachhängt. Die Aufnahmen von Tieren, Bergen, Steinen, Käsen und knapp menschlich wirkenden Figuren hängen einem an und nach. Und wenn sich andeutungsweise herausstellt, dass Paul ohne Mutter, nur mit einem Vater aufgewachsen ist, den man sich wohl vorstellen muss wie ihn selber, dann geht man sogar halbwegs mit auf dem relativ abrupten Weg zur Menschwerdung, den der Spanier und der plötzliche Verlust der Frau in ihm auslösen. Damit geht man aber eher sich selber auf den Leim, denn die Spuren, die der Film auslegt, entsprechen nicht dem Weg, den er nimmt.
Dass Paul sowohl als unaustehliches, unverständlich tierisches Ekel funktioniert, wie auch als verzweifeltes, verängstigtes orientierungsloses Tier, das gezähmt werden möchte gegen den Schluss des Films, das liegt nicht an einer schlüssigen psychologischen Entwicklung oder am inszenatorischen Realismus des Films, sondern im Gegenteil an der Radikalität, mit der Cornamusaz erzählerische Konventionen und Psychologismen knapp hinstellt und anbietet, aber dann auch gleich wieder unnötig macht. Der Film ist Gefühl. Das Gefühl von Wut, Angst, Sprach- und Orientierungslosigkeit bis hin zu Ahnung, Hoffnung, Trauer und Hingabe an einen Wunsch. Das mach Coeur animal zu einem erstaunlichen Film, einem viel versprechenden Anfang für eine Filmemacherin, die man sich merken muss. Auch wenn noch nicht alles aufgeht, und längst nicht alles stimmt an diesem sperrigen Werk: Vergessen lässt es sich nicht so leicht, und das macht Mut.