Nach der leisen Enttäuschung über den Eröffnungsfilm Der Kameramörder von gestern, war die Freude heute doppelt gross über Benjamin Heisenbergs Berlinale-Kandidat Der Räuber. Das Verbindende Element zwischen den beiden Filmen ist natürlich Andreas Lust, der gestern mit dem Diagonale-Schauspielerpreis ausgezeichnet wurde, eben so wie seine Partnerin in Der Räuber, Franziska Weisz. Dabei haben die beiden Filme nicht nur Lust gemeinsam, sondern etliche Züge, welche beim Räuber zu Stärken werden, im Kameramörder aber Schwächen bleiben. Bevor ich dazu komme, aber einfach ein augenzwinkernder Bildvergleich. Oben Lust als Räuber, unten, ebenfalls rennend, in Der Kameramörder:
Andreas Lust spielt in beiden Filmen einen enigmatischen Mann, einen Kerl, den wir von Szene zu Szene neu wahrnehmen, ohne ihn je wirklich kennen zu lernen. Im Kameramörder dient das allenfalls dazu die Figur innerhalb der Szenen funktional zu halten, bei Heisenberg in Der Räuber führt das gleiche reduzierte Spiel dazu, dass wir uns dauernd mit der Motivation, beziehungsweise der Getriebenheit der Figur auseinandersetzen, viel eher als mit ihrer Vergangenheit. Der Räuber ist Marathonläufer und Bankräuber zugleich und praktisch ausschliesslich. Sein Leben ist reine Kinetik, rennen, vorwärts rasen. Was bremst, wird umlaufen, überrannt, passiert oder – in einem Fall – totgeschlagen. Vom Motiv des Laufens her erinnert der Film natürlich vage an Schlesingers Marathon Man, von der Figur und ihrer Unbedingtheit allerdings eher an Godards A bout de souffle. Aus diesem Klassiker des europäischen Kinos stammen denn auch ein paar Binnenmotive im Räuber. Vor allem natürlich der Verrat der Frau am Geliebten – wenn auch hier noch einmal anders motiviert und aufgestellt. Aber auch die Unbedingtheit der Figur, die unbedingte Unabhängigkeit und Bindungsunwilligkeit. Der Räuber, von der Kritik begrüsst, von der Berlinale-Jury ignoriert und vom Kinopublikum in Deutschland wie in Österreich derzeit eher links liegen gelassen, ist ein Meisterwerk, ein grossartiger, enorm zurückhaltender Film mit perfektem Tempowechsel und einem extremen Sog. Dass die Titelfigur zudem nicht nur sich selber, sondern auch dem Publikum regelrecht entfremdet bleibt, ist ein eben so erschreckender wie konsequenter Zug.