Diagonale 10: DIRTY DAYS von Helmut Berger

Dirty Days Helmut Berger

Ein Schauspieler, der einen Dokumentarfilm macht über die ursprünglichste Form seines Berufes, das Tingeln, das hat schon grundsätzlich etwas Reizvolles. Im Falle von Dirty Days kommen aber noch etliche Reize dazu und am Ende steht ein überaus reizender Film. Helmut Berger, den man in der Schweiz auch von seiner Zeit in Basel kennt, hat sich überreden lassen, mit einer bunt zusammengewürftelten kleinen Truppe auf eine Theatertournee durch die deutsch-österreichisch-schweizerische Provinz zu gehen. ein Monat, 9000 Kilometer, billige Hotels und ein chaotisches Management, bei dem zu allem Elend am Ende auch noch die Impresaria mit der Kasse verschwindet. Und als ob das nicht alles schon schrecklich genug wäre, gibt die Truppe ausgerechnet Ödön von Horváths bittere Komödie Zur schönen Aussicht, ein Stück, mit dem die unerschrockene Truppe es in manchen Provinztheatern schon vor der Pause schafft, den halben Saal zu leeren – weil es ein böses Stück ist, ein giftiges, ein österreichisches, sozusagen.

Dank der Umstände und dem gemeinsamen „äusseren“ Feind in Gestalt der Tourveranstalterin wird aus der Truppe in den drei Wochen in Garderoben, Hotelzimmern und vor allem im Kleinbus „on the road“ eine Schicksalsgemeinschaft, die mit Galgenhumor und unter Zusammenkratzen der letzten Reste des grossen Traums von der Bühnenromantik Abend für Abend das Bestmögliche auf die Bretter legt. Trotz Consumer-Handkamera und wenig Filmerfahrung beim Drehen ist der fertige Film ein sehr gut konsumierbares Beispiel für brillante, unaufdringliche Dokumontage geworden. Cutter Michou Hutter nutzt das vorhandene Interviewmaterial und die anderen Sequenzen optimal für einen chronologischen und dramaturgischen Aufbau. Der Film ist als klassisches Roadmovie gestaltet, Berger hat offenbar genügend Material gedreht, von der Frühstücksbuffet-Groteske bis zum kleinen grauen Papagei, dass ein abwechslungsreicher Schnitt dafür sorgt, die talking heads (denen man im übrigen stundenlang zuhören könnte) zu unterfüttern.

Dirty Days ist ein Film für alle, die das Theater lieben, aber auch für jene, die es hassen, für jene, denen die Liebe abhanden gekommen ist. Und natürlich für die unheilbaren Theaterromantiker, denen solche massive Dosen von Realität nur zu noch mehr widerständischer Schwärmerei gereichen werden. Dirty Days steht in einer grossen Reihe von Filmen über das Bühnenvolk, von Fellini bis Angelopoulos.

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