Nyon 10: SOMETHING ABOUT GEORGIA von Nino Kirtadze

Micheil Saakaschwili in 'Something about Georgia' von Nino Kirtadze
Micheil Saakaschwili in 'Something about Georgia' von Nino Kirtadze

Auch der politische Dokumentarfilm lebt in Nyon weiter. Allerdings ist das, was die in Paris lebende Georgierin Nino Kirtadze gestern Abend hier gezeigt hat nicht die klassische Dokumentation über die laufende Invasion eines Staates. Radikal subjektiv und ganz aus der Sicht der Bevölkerung gefilmt, erzählt sie von jenen verhängnisvollen Tagen im August 2008, als Russland die Invasion begann, im Zusammenhang mit den Unabhängigkeitsbestrebungen von Süd-Ossetien und Abchasien. Kirtadze beginnt den Film mit der Frage, ob Georgiens Traum von der Zugehörigkeit zu Europa, von einer freien demokratischen Gesellschaft nicht vielleicht Georgiens Fluch darstelle?

Zu dem Schluss kann man tatsächlich kommen, wenn man die Bilder von den ersten Angriffen der russischen Armee sieht, die Leichen, die zerstörten Häuser, und dann die verzweifelten Versuche von Präsident Saakaschwili, mit Hilfe von Nicolas Sarkozy den Westen dafür zu gewinnen, Russland unter Druck zu setzen. Was den Film aber zusätzlich aussergewöhnlich macht, ist der Umstand, dass Kirtadze mit ihrer Kamera Saakaschwili unmittelbar begleitet hat, schon lange vor dem Angriff. Im Zusammenhang mit dem Walhkampf vom Mai 2008 hat sie sein Vertrauen gewonnen und ist ihm zeitenweise auf Schritt und Tritt gefolgt. So sitzt sie in den Tagen der Krise sogar bei ihm im Auto, filmt seine hektischen Telefonate mit Diplomaten und Krisenmanagern. Dass es ihr trotzdem gelingt, auch die Opposition angemessen ins Bild zu rücken, tut dem Film gut. Auf der emotionalen Ebene aber fibert man mit der georgischen Bevölkerung mit, verzweifelt über die surreale Hilflosigkeit der europäischen Beobachtungstruppen im Land und kommt selber zum Schluss, dass Europa und der Westen Georgien im Stich gelassen haben – weil die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas einfach wichtiger ist. Something about Georgia funktioniert als Film gerade, weil er ganz klar Partei ergreift. Wenn Kirtadze dabei oft nahe an die Methoden der Propaganda gerät, dann verzeiht man ihr das, weil die Subjektivität von Anfang an deklariert und demonstriert wird. Das führt dann allerdings auch dazu, dass man das Kino nicht anders als deprimiert verlassen kann. Die Feigheit angesichts einer eindeutigen Aggression ist am Ende eben unsere eigene Feigheit. So ganz ähnlich drückt das eine alte Frau im Grenzgebiet aus, die ihr Haus und ihre Familie im fortdauernden schleichenden Annektionsprozess verloren hat.

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