Er war der Blinzeldiktierer in Le scaphandre et le papillon und der Bösewicht im letzten Bond. Jetzt aber hat Mathieu Amalric als Regisseur und Hauptdarsteller den diesjährigen Wettbewerb von Cannes eröffnet. Da sind eine Figur und eine Geschichte, die ein wenig an Tom Waits und seine Songs erinnern, eine 110minütige Abfolge fast dokumentarisch wirkender Szenen, welche – böse betrachtet – ein Treatment für einen guten Film abgäben. Mit etwas mehr Milde oder gar einer Spur echter Begeisterung findet man aber ein paar sehr berührende Momente und zwei oder drei filmisch grosse Passagen in dieser Tournée. Amalric spielt Joachim, einen verkrachten, abgestürzten Fernsehproduzenten, welcher in die USA geflüchtet ist vor seinen Schulden und Beziehungsproblemen, und jetzt als Impresario mit einer Burlesk-Truppe eine Provinz- und Küstentour durch Frankreich absolviert. Die Frauen hoffen auf einen krönenden Auftritt in Paris, aber der kommt nicht zustande, weil Joachims alte Feindschaften noch immer leben und wirken.
Wunderbar an diesem kleinen Film sind zunächst einmal die Frauen (und der eine Mann) der Burlesk-Show. Das sind Frauen, welche sich selber auf der Bühne verkleiden und inszenieren, die eine Show für Frauen machen. Frauen, die Joachim wiederholt zu verstehen geben, dass er allenfalls Tourmanager sei, aber nicht der Boss und schon gar nicht der Regisseur der Show. Und da ist Amalric, manisch, lächelnd, voller Energie, immer kurz vor der Explosion, der ein ums andere Mal in der Hotellobby oder im Restaurant die Manager überfordert, mit dem zwischen den Zähnen herausgepressten Wunsch, die Muzak abzustellen, oder den Fernseher, oder was auch immer im Hintergrund als Beruhigungskulisse läuft. Dieser Joachim, der Besessen scheint vom Wunsch, eine ehrliche Show zu managen, einen lebenden Bühnenevent, der hält, was er verspricht und dies ohne Mehrdeutigkeit und Kompromiss. Wenn Joachim sich rührend um „seine“ Frauen kümmert, wenn er sie in der Wut herausfordert oder gar beleidigt wie ein Sohn die Mutter, ein Künstler seine Muse, oder ein Liebender das Objekt seiner Sehnsucht, dann ist immer wieder zu ahnen, und ein zwei Mal zu spüren, wie der Film gemeint ist. Auch der Umgang mit den beiden jungen Söhnen aus seiner gescheiterten Ehe gerät Joachim zur Groteske. Und doch nimmt er die Jungen selbst dann noch ernster als manch anderer Vater, wenn er sie, sichtlich überfordert, in seinem eigenen Chaos immer wieder mal kurz zur Seite stellt.
Der Film hat was, er erinnert an Altmans A Prarie Home Companion und an Helmut Bergers wunderbaren Theatertourneedokumentarfilm Dirty Days. Amalric kriegt die Stimmung hin, die Energie, selbst die manische Liebe zur Wahrheit im Tingeltangel gelingt ihm. Bloss die runde Form, die zwingende Geschlossenheit einer Geschichte, das Gefühl einem ganzen, kompletten, anheimelnden Chaos anheimfallen zu können, das dieser Film eigentlich sucht, das scheint nur manchmal kurz auf.