Lee Chang-dong war von 2002 bis 2005 Minister für Kultur und Tourismus in Südkorea. Vorher und danach hat er Filme gemacht. 2007 gewann Do-yeon Jeon (die wir hier eben in The Housemaid wieder gesehen haben) die Palme für die Beste Darstellerin in seinem Film Secret Sunhsine – Milyang. Und auch in Shi ist wieder die Hauptdarstellerin das stärkste Argument für den Film. Junghee Yun war ab den späten sechziger Jahren der koreanische Superstar schlechthin, bis sie einen Pianisten geheiratet und sich sechzehn Jahre aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hat. Nun spielt sie Mija Yang, die mädchenhafte Grossmutter eines Teenagers, der in massive Schwierigkeiten gerät. Mijas Kampf um die Zukunft des Jungen und ihre gleichzeitigen Bemühungen, in einem Lyrikkurs die Kunst des Dichtens zu lernen, gehen ans Herz.
Die Geschichte des Films erinnert an Lola von Brillante Mendoza, denn auch dort geht es um Grossmütter, die an ihren Enkeln verzweifeln – allerdings auf den Philippinen. Während Mendoza einen rohen dokumentarischen Stil pflegt, steht bei Chang-dong Lee das schöngeistige, fast kunsthandwerkliche Gestalten im Vordergrund – was ihn allerdings nicht daran hindert, seine Figuren durch recht drastische Situationen zu zwingen.
Der Titel Shi, englisch poetry bezieht sich dabei nicht nur auf Wunsch und Beschäftigung der alten Dame, sondern auch auf die Filmkunst schlechthin. Denn wenn im Film der Dichter und Kurslehrer erklärt, es gebe immer weniger Menschen, die mit Lyrik überhaupt noch etwas anfangen könnten, dann meint Filmemacher Chang-dong Lee damit zugleich auch die Kunst, die er selber ausübt, das Filmen.
Lee Chang-dongs SECRET SUNSHINE ist am 23. Mai, und sein OASIS am 10. & 13. Juni im Filmpodium Zürich zu sehen: http://www.filmpodium.ch/Programm/ReiheInfo.aspx?t=1&r=6
Lee Chang-dong (1954) hat erst mit über 40 Jahren mit Filmen begonnen, nachdem der einstige Lehrer bereits ein in Korea, zT. auch international erfolgreicher Schriftsteller war. Also meint er in POETRY wohl durchaus auch die Lyrik (bzw. die Dichtkunst) selbst (nehme ich an, in Unkenntnis des Films).