Cannes 10: LA NOSTRA VITA by Daniele Luchetti

'La nostra vita' von Daniele Luchetti

Mit Mio fratello è figlio unico, einer selbstironischen Dramödie, war Luchetti 2007 in Un Certain Regard vertreten, mit dem Nanni-Moretti-Vehikel Il portaborse 1991 im Wettbewerb. La nostra vita verheiratet nun wieder das politisch eingefärbte Sozialdrama mit der Familienkomödie und geht dabei schön melodramatisch zu Werk. Ein junger Vorarbeiter verliert bei der Geburts des dritten Kindes seine Frau und betäubt seinen Schmerz dadurch, dass er seine ganze Energie in ein eigenes Baugeschäft lenkt. Zugleich trifft er auf den Sohn eines Mannes, dessen Unfalltod er auf der Baustelle vertuscht hat (was entfernt an La promesse der Dardenne-Brüder erinnert).

Der Film schreckt nicht zurück vor dick aufgetragenen Gefühlen, die Superschnulze anima fragile von Vasco Rossi spielt ganz zu Beginn eine prominente Rolle, zugleich bringt das Figurenarsenal alles zum Klingen, vom rollstuhlfahrenden Drogendealer mit dem grossen Herzen über die grosszügigen Familienmitglieder bis zur Rumänin mit dem sonnigen Gemüt. Die Mechanismen der Geldflüsse, von Kontraktarbeiten, Baukonsortien und Subkontraktoren werden vorgeführt. Das alles ist so realistisch wie idealisiert, der Film ein didaktisches Melodrama, a slice of life im Hollywoodstil, ein Paket saftiger zeitgenössischer Italianità – kurz: Ein gut gemachter, unterhaltsamer Film fürs Kino, dem man so viel Publikum wie möglich wünschen würde. Aber kein ernsthafter Wettbewerbsbeitrag für Cannes, jedenfalls dann nicht, wenn man an die Beiträge von Paolo Sorrentino oder Matteo Garrone der letzten Jahre denkt, an Filme, die das italienische Kino plötzlich wieder zur Avantgarde machten.

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