Was für ein Vergnügen, dieser Film! Apichatpong Weerasethakul ist schon lange keine Geheimtipp mehr, dafür haben sich schon viel zu viele Festivals von Nyon bis Cannes mit der Entdeckung dieses thailändischen Bildermeisters gebrüstet. Und die meisten seiner bisherigen Film haben zugleich verzaubert, verblüfft und die Geduld strapaziert. Exotisch, verspielt, mutig und kindlich zugleich sind seine Kreationen, irgendwo zwischen animistisch belebtem Dschungel und selbstverständlich moderner Attitüde in der Schwebe. Oder Surre. Sause?
Der Titel kündigt den Onkel Boonmee an, der sich an seine früheren Existenzen erinnern kann. Und das nimmt der Film auf kuriose Weise wörtlich. Boonmee lebt auf seiner Farm am Rande des Dschungels, er hat Bienen und Tamarinden und versagende Nieren. Er weiss, dass er nicht mehr lange zu leben hat, arrangiert sich mit seiner Schwester, einem jungen Verwandten und einem illegal eingewanderten Pfleger aus Laos. Und dann taucht zuerst der Geist seiner verstorbenen Frau auf, um ihm zu helfen, und gleich darauf auch noch sein verschwundener Sohn, auch in neuer Gestalt. Weerasethakul spielt mit dem Reinkarnations- und Geisterglauben, mit Versatzstücken seiner heimischen Mythologie und mit dem alten thailändischen Kino, dem er laufend eine Referenz erweist. Und dank seinem wahrhaft magischen Realismus, der kaum etwas mit der südamerikanischen Spielart gleichen Namens zu tun hat, bringt Weerasethakul seinen Film zum Schweben. Man kann das Lachen nicht unterdrücken, wenn der Monkey-Ghost, der Affengeist auftaucht, wenn der Wels im verwunschenen Teich die traurige, hässliche Prinzessin begattet, wenn der Mönch unter dem Moskitonetz auf dem Mobiltelefondisplay nach der Uhrzeit schaut. Und man soll auch nicht verzichten auf das Lachen, der Film provoziert es, ohne den eigenen Zauber damit aufs Spiel zu setzen.
Die meisten Kinogänger sehnen sich Zeit ihres Lebens nach der Magie, welche die ersten Kinobesuche in uns ausgelöst hatten, die kindliche Freude über das unbekannte Abenteuer, das einem hinter der Leinwand erwartete. Eine Ahnung davon überkommt uns jedesmal, wenn im Saal das Licht ausgeht, kurz bevor die ersten Projektorstrahlen auf die Leinwand fallen, in jenem Moment, da noch alles möglich ist, der Film nur ein Versprechen und eine Hoffnung.
Apichatpong Weerasethakul hält nicht nur diese Hoffnung am Leben, den ganzen Film hindurch. Er gibt uns das Staunen zurück, die Freude über das Seltsame, das Wunderbare, das liebevoll abgründige alles-ist-möglich. Das hat damit zu tun, dass uns seine thailändische Mythologie exotisch anhaucht. Vor allem aber damit, dass diese Welt, die er zeigt nicht zerrissen ist. Der Geist der Ehefrau ist pure Liebe, der Monkey-Ghost keine Schreckensfigur, sondern ein Gast aus der unbekannten Nachbarschaft.
Und ganz nebenbei ist Lung Boonmee raluek chat einer der friedlichsten, hoffnungs- und liebevollsten Filme über das Sterben, die ich je gesehen habe.