Locarno 10: PERFERIC von Bogdan George Apetri

Periferic

Das rumänische Kino hat sich auf den Festivals der Welt installiert und fasziniert mit seinen zwei Tenören, dem satirischen Rückblick auf die Zeit der Diktatur und der düsteren Dokumentation der Gegenwart im Umbruch. Periferic gehört zur aktuellen Gattung und beeindruckt mit dem schon fast gewohnt unsentimentalen, anti-melodramatischen Blick auf eine harte Jeder-für-sich-selbst-Gesellschaft. Die junge Frau im Zentrum des Films nutzt einen Beerdigungs-Hafturlaub, um ihren ehemaligen Zuhälter aufzusuchen, ihm versprochenes Geld abzutrotzen und ihren kleinen Sohn aus dem Waisenhaus zu holen, wo er ihn hinverfrachtet hat.

Wie Bogdan George Apetri die Geschichte der Frau einzig über die Handlung in der fiilmischen Gegenwart erzählt, über das, was gesagt wird, und das, was nicht gesagt wird, das ist beeindruckend. Der Titel ist dabei besonders heimtückisch, funktioniert er doch ebenfalls wie eine vielsagende Leerstelle. Wenn das, was der Film schildert wirklich perifer stattfindet, am Rand der Stadt, am Rand der Gesellschaft, dann läge der beruhigende Schluss nahe, dass es im Zentrum (schon?) besser sei, dass die rumänische Gesellschaft sich vielleicht humanisiere. Wahrscheinlich aber ist das brutale Ödland, das Bogdan George Apetri mit seinem Film zeichnet, nicht einfach perifer für sein Land, sondern perifer für uns alle. Eine Geschichte vom Rande Europas. Dass wir mittlerweile fast schon genremässige Erwartungen haben an das rumänische Kino, ist allerdings ein Gefahrensignal nicht nur für uns Festivalgänger, sondern auch für die aktuelle Generation rumänischer Filmemacher. Periferic entgeht der Gefahr der Schubladisierung durch seine messerscharfe Positionierung an der Periferie unserer Wahrnehmung, der Film wirkt wie eine Momentaufnahme im Augenwinkel.

Kommentar verfassen