Berlinale 11: NADAR AND SIMIN, A SEPARATION

Leila Hatami in ‚Jodaeiye Nader az Simin‘ von Asghar Farhadi

Iranisches Kino ist hier in aller Munde – bis gestern vor allem wegen der Abwesenheit Jafar Panahis. Das hat sich seit gestern geändert: der iranische Wettbewerbsbeitrag von Asghar Farhadi, Nadar And Simin, A Separation war bis jetzt der mit Abstand stärkste Film. Farhadi zählt aktuell zu den wichtigsten Regisseuren des Lande und wurde hier an der Berlinale schon vor zwei Jahren für About Elly mit einem silbernen Bären ausgezeichnet. Dass er dieses Mal leer ausgehen könnte, ist fast nicht vorstellbar. Der Film beginnt vor dem Scheidungsrichter: Simin möchte die Scheidung von ihrem Mann, weil der sich weigert, das Land mit ihr zu verlassen. Sie möchte, dass ihre elfjährige Tochter nicht in diesem repressiven Land gross werden muss. Aber Nadar hat einen alzheimerkranken Vater, den er nicht alleine zurücklassen will – auch wenn der ihn nicht mehr erkennt.

Schon diese Konstellation einer modernen, gebildeten Familie in Teheran wäre Stoff für einen guten Film. Farhadi stellt dieser jungen modernen Familie aber eine ebenso junge, sehr traditionelle und religiöse Familie gegenüber und zeichnet so im Kleinen das Bild einer komplexen Gesellschaft im Iran.Als Simin auszieht (vorerst nicht ins Ausland, sondern erst einmal zu ihren Eltern, auch weil sich ihre Tochter weigert, mitzukommen), stellt Nadar eine junge Mutter ein, die auf seinen Vater aufpassen soll. Als er eines Abends aber früher zurück kommt, ist die Frau nicht im Haus und der alte Mann liegt bewusstlos auf dem Boden, ans Bett gefesselt. In seiner Wut stösst Nadar die junge Frau, die kurz darauf wiederkommt, aus der Wohnung. Draussen, für’s Kinopublikum unsichtbar, stürzt die Frau und erleidet eine Fehlgeburt.

Leila Hatami, Peyman Moadi in ‚Nader And Simin, A Separation‘

Was nun folgt, ist ein gegenseitiges Anklagen, endlose Auseinandersetzungen vor dem Richter, ein Gewirr von Aussagen, Lügen, Streitereien. Das mag vielleicht anstrengend klingen, aber Regisseur Farhadi lässt durch diese Auseinandersetzungen die Figuren sich langsam entwickeln, schärfere Konturen bekommen. Und er erzählt die Geschichte so, dass man nicht nur erst nach und nach herausfindet, wer lügt und was passiert ist, sondern auch, warum gelogen wird. Und es entsteht das Bild einer Gesellschaft, die von Zwängen, von Geschlechterrollen, von finanziellen Engpässen und religiösen Konventionen geprägt und auch gebremst ist. Nader And Simin, A Separation ist das stärkste Stück Kino, das ich hier auf der Berlinale gesehen habe. Und falls dieser Film einen Bären (den goldenen?) gewinnt, wird es keine politische Entscheidung sein, sondern ganz und gar eine cineastische.

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