Internet-Premiere: GIRL WALKS INTO A BAR

Roasario Dawson und Josh Hartnett in 'Girl Walks into a Bar'
Roasario Dawson und Josh Hartnett in 'Girl Walks into a Bar'

Eine Million Dollar soll er gekostet haben, und allein die Liste der Schauspielerinnen und Schauspieler in diesem Film lässt darauf schliessen, dass das wahrscheinlich stimmt: Carla Gugino, Zachary Quinto, Josh Hartnett, Danny DeVito, Rosario Dawson, Emmanuelle Chriqui, Robert Forster und Alexis Bledel spielen mit. Produziert hat Multimillionär Steve Bing (der bei uns vor allem bekannt wurde als entfernter Vater eines Kindes von Elizabeth Hurley). Aber was Girl Walks into a Bar vor allem speziell macht: Der Film wurde exklusiv für ein Internet-Release gedreht. Und er wird ab sofort gratis über YouTube unters Volk gebracht. Nach Aussagen des Regisseurs Sebastián Gutiérrez (Snakes on a Plane, Gothika) ging es vor allem darum, zu beweisen, dass auf diese Weise dialoggetragene, einfache Schauspielerfilme ohne Spezialeffekte oder teure Schauwerte ein Publikum finden können. Ein teurer Versuch, aber auf jeden Fall schon mal ein gelungener Film – dazu gleich mehr.

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Was die wirtschaftlichen Überlegungen hinter dem Unternehmen sind, darüber kann zunächst erst mal spekuliert werden. Auf jeden Fall ist es für Filmemacher Gutiérrez erstklassige PR und am Ende der Präsentation in YouTubes „Screening Room“ kommt auch prompt der Verweis auf den Trailer von Gutiérrez‘ Kinofilm Elektra Luxx. Es ist auch denkbar, dass YouTube, bzw. Mutterfirma Google, am Unternehmen direkt oder indirekt beteiligt ist. Schliesslich läuft das Rennen um die attraktivste Online- und On-Demand-Plattform gerade in den USA bereits auf Hochtouren.

Girl Walks into a Bar scs Dawson

Aber was wird denn nun tatsächlich geboten? Girl Walks into a Bar ist gut geschriebenes, erstklassig besetztes und gespieltes Dialogkino. Fast alle der durch eine lockere Storyline verbundenen Szenen spielen in einer Bar oder einem Nachtlokal. Und fast alle Szenen bestehen im Kern aus Dialogen zwischen einem Mann und einer Frau, hin und wieder auch drei oder gar vier Personen. Die Texte pendeln zwischen hartgesotten und komisch bis grotesk und man merkt den Schauspielerinnen und Schauspielern an, dass sie es geniessen, sich für einmal wie im Theater auf den Text verlassen zu können und dabei persönlich das Maximum an Effekt heraus zu melken. Der Plot involviert einen eifersüchtigen Zahnarzt, der seine Frau ermorden lassen möchte, eine Under-Cover-Polizistin, welche den Zahnarzt überführen soll, einen von Danny De Vito gespielten Gangster, einen Pingpong-Club für Nudisten und diverse clevere oder auch weniger clevere Frauen, die aus undurchsichtigen Gründen in Strip-Clubs arbeiten.

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Das macht von der ersten Szene an ziemlich Spass, vor allem, weil die Dialoge überraschend, manchmal bissig, und vor allem auf der Ebene der Damen überaus emanzipiert daherkommen. Hin und wieder fühlt man sich wie in einem Tarantino-Film, und das liegt nicht nur an Rosario Dawson, die ein Echo ihrer Rolle in Death Proof aufklingen lässt. Intelligente Wortwechsel im Schnellfeuerverfahren waren ein Merkmal der klassischen Screwball-Comedies und von denen hat dieser Film einige Qualitäten.

Als „proof of concept“ könnte dieses Unternehmen also hinhauen, auch wenn wahrscheinlich die wenigsten YouTube-Nutzerinnen und Nutzer die Geduld für volle 90 Minuten aufbringen. Technisch spricht allerdings nichts dagegen. Die standardisierten 10-Minuten-Blöcke werden in YouTubes „Screening Room“ automatisch und fast nahtlos abgespielt, die kurzen Unterbrüche liegen fast immer bei Szenenwechseln und erinnern an den Schichtwechsel bei älteren DVDs. Ich vermute, dass hinter dem Experiment Teile der Strategie von Google-TV zu suchen sind, denn dieser Film wäre natürlich das ideale Testobjekt, um potentiellen Kunden YouTube in der guten Stube über die noch immer nicht wirklich erhältliche kleine Settop-Box (dem Konkurrenzprodukt zu Apple-TV) anzudrehen.

Wer Spass hat an geschliffenen Dialogen und komischen Szenen mit Biss, soll ruhig einmal reinzappen über YouTube und im HD-Fullscreenmodus.

Update: Der Film ist mittlerweile aus Urheberrechtsgründen für YouTube-Nutzer aus Deutschland und der Schweiz gesperrt, 15 Minuten, nachdem ich ihn in voller Länge angeschaut habe…

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