Dieser Film ist eine komische Tragödie, eine Götterdämmerung zwischen Vater und Sohn, ein Hildebrandslied in Akademikerkreisen, oder, mit anderen Worten: Dieser Film erzählt auf komisch realistische Weise jene Geschichte, welche Kenneth Branaghs Thor hätte erzählen wollen. Der Titel wird mit „Fussnote“ übersetzt, und eine Fussnote im Werk seines Mentors und Lehrers ist die einzige akademische Ehre, die dem besessenen Talmud-Philologen Eliezer Shkolnik in Israel je zuteil geworden ist. Dafür hat sein Sohn in seinen Fussstapfen fast alle akademischen Auszeichnungen eingeheimst, die dem Vater verwehrt blieben, sogar die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften. Was noch bleibt, ist der Israel-Preis, auf den der Vater seit über zwanzig Jahren vergeblich gewartet hat.
Aber eine einfache akademische Rivalität zwischen Vater und Sohn wäre zu banal für die komische Heimtücke dieses Drehbuchs. Da geht es letztlich um mehr, um alle Väter und Söhne, um Erwartungen, Hoffnungen und unerfüllbare Vorgaben der Väter an die Söhne. Joseph Cedar inszeniert das mit einer gestalterischen Virtuosität, die im wesentlichen dem Furor des Sohnes entspricht, der dem akademischen Ideal seines Vaters nur die komplette, unpedantische Überflügelung entgegenzustellen weiss.
Cedar trägt schon vor den ersten Titeln dick auf, mit einem orchestral dramatischen Score von Amit Poznansky, der zwischen Zirkusmusik und chaplineskem Wagner daherwummert, und dann entwirft er ein Bild des Vaters und des Sohnes über einzelne Vignetten aus der charakteramorphen Welt der akademischen Intrigen. Von seiner Mechanik her erfüllt dieser Film jene Versprechen, welche The Da Vinci Code nie gehalten hat, spannende Einblicke in jene universitär-darwinistische Scheinwelt zwischen Forscher-Ethos und Publikationszwang, Lehrtätigkeit und Selbstpromotion, welche für Aussenstehende fremder anmutet als jeder Affenfelsenkodex.
Und Cedar lässt es nicht beim hochspannenden Plot bewenden, er kreiert auch saftige Figuren und einen flickenteppichartigen Erzählstil, der sich an Dokumentationen orientiert, aber nie einen Hehl aus der absolut entfesselten Erzähl- und Spottlust macht.
Diese Fussnote sollte auf dem Pisa-Programm aller Erstsemestrigen Uni-Kandidaten stehen, als obligatorischer Abschreckungsfilm wäre er wirksamer als jeder Numerus clausus, und sein Unterhaltungswert ist dabei ungleich grösser als der aller bisherigen Wettbewerbsfilme zusammen. Ein grosses, tragikomisches Spottlied, mit leichter Löwenpranke angerichtet.