Ein Blockbuster muss sein, wenn auch „hors concours“, das gehört zu Cannes. Und wir hatten schon schlimmere, ich erinnere an die Festivalerföffnung 2004 mit Ron Howards unsäglichem Da Vinci Code. Da war im Jahr davor noch George Lucas‘ vollsynthetischer letzter Star Wars ein nostalgisches Kinoerlebnis dagegen, mit Darth Vaders klappsender Schnaufe als Begleitmusik zur montée des marches.
Und heuer also die vierten Piraten. Ich hätte mir ja für Gore Verbinskis surrealistische dritte Folge der Franchise etliche Filmpreise gewünscht. Das war ein Film, der Hollywoods Zwang zum Storytelling, zum verständlichen Plot und publikumsfreundlich-dialogischem Erzählen abgeschworen hatte und einfach nur nur Bilder spie, wie ein Komodo-Kamera-Drachen mit Photorhoe. Jetzt aber wird die Festivalehre dem doch eher überschätzten Rob Marshall zuteil. Immerhin gibt es keinen Grund zum Heulen: Number Four is alive.
Viel mehr dann aber auch wieder nicht. Rob Marshall hat die Franchise auftragsgemäss auf life support geschaltet, die Storyline um die Jagd nach dem Jungbrunnen ist einigermassen direkt, die Tableaus mit den Schiffen auf dem Meer, den exotischen Landschaften nach wie vor atemberaubend. Was fehlt, ist die surreale Absurdität, welche Gore Verbinski zunehmend pflegte – er hat die in seinen Rango mit genommen.
Es war ja schon am Ende des dritten Teils kaum mehr möglich, zu segen, welche Szenen in welchem Film zu sehen gewesen waren, jetzt wird es vollends unmöglich – wenn nicht gerade Penelope Cruz im Bild ist, natürlich. Das affektiert schwankend pseudobetrunkene Gehabe hat Johnny Depp zu einer Perfektion kultiviert, die schon fast nach Alltagsnachahmern ruft. Und die kindliche Piratenlogik ist auch für ein paar Gags gut, so etwa, wenn Captain Jack Sparrow seinem Maat gesteht, dass er für Cruz‘ Figur einmal fast so etwas wie Gefühle entwickelt habe: „Und dann hast Du sie sitzenlassen?“ – „Ja“ – „Das ist gemein!“ – „Danke!“
Alles in allem ist die Franchise damit aber wieder dort angelangt, wo sie herkommt: In Disneyland. Einzig die Meerjungfrauen, die sich als tödliche Unterwasservampire entpuppen, sorgen für etwas zusätzliches Adrenalin im Saal, ein paar dieser 3D-Szenen, in denen hunderte der plötzlich schnell wie Kino-Piranhas schwimmenden Killerfischmädchen angreifen, die haben für Sekunden etwas metaphysisch Gruseliges wie seinerzeit im ersten Film die unter Wasser zu Fuss gehenden untoten Piraten.
Und dann sind da natürlich die verbalen Anzüglichkeiten von Jack Sparrow, in einem ansonsten disneymässig sterilen Umfeld, in dem Meerjungfrauen zwar Brustansätze haben, aber keine Nippel. Wenn Jack das Votum eines Missionars unterstützt, der die Piraten auffordert, der Gefangenen Meerjungfrau im Glaskasten die nötige Luft zum Atmen zu geben, tut er das mit dem Satz: „I support the missionary’s position“.
Also alles wie gehabt, einfach weniger Gore (Verbinski) und mehr Rob (Marshall).
Dank des Textes habe ich doch etwas Lust bekommen, mir diesen Film im Kino anzusehen. Und ihr Fragment über den „eher überschätzten Rob Marshall“ fasst in höfflicher Form das bisherige Schaffen des Regisseurs zusammen.