Takashi Miike wurde bei uns zuerst zum Horror-Geheimtip mit Audition. Der unglaublich produktive Japaner ist ein Spezialist für dichte Thriller und eigenwillige Action. Aber dieser Samurai-Film ist nun ein unerwartet ruhiges und zugleich ikonoklastisches Unternehmen. Einmal mehr geht es um „Ronin“, um herrenlose Samurai, die wohl eines des eigenartigsten Prekariate in der Menschheitsgeschichte darstellen: Edle Krieger, die mangels Anstellung und Lehensherr am Hungertuch nagen. In Ichimei (Hara-kiri, Death of a Samurai) kommt einer von ihnen auf einen Stützpunkt und bittet darum, im Hof rituellen Selbstmord begehen zu dürfen. Dort hält man das allerdings für einen Bluff, soll es doch viele verzweifelte arbeitslose Samurai geben, die auf diese Weise versuchen, ein Almosen zu erpressen. Entsprechend wird dem Mann zur Abschreckung die Geschichte eines bedeutend jüngeren Samurai erzählt, der einige Zeit früher mit dem gleichen Anliegen gekommen sei, zu seinem eigenen Entsetzen aber beim Wort genommen wurde und sich im Hof den Bauch aufschlitzen musste – mit einem Bambusschwert, wie sich herausstellte, ein anderes hatte er nicht.
Die Geschichte ist natürlich um einiges komplizierter und wird von dem Mann in einer langen Rückblende erzählt. Es geht um junge Liebende in Armut, um eine kranke Frau und ein sterbendes Kind. Und schliesslich um den Ehrenkodex, die ganze Samurai-Idee vom ehrenvollen Tod. Das haben vor Miike schon andere abgehandelt, etwa Yoji Yamada mit Tasogare Seibei – The Twilight Samurai. Aber Miike geht das ungleich epischer an, mit langen, ruhigen Einstellungen (in sehr schönem, aber trotz allem überflüssigem 3D) und unterlegt von einem hypnotischen Score von Ryuichi Sakamoto. Es ist ein Film voller Schönheit und Tragik, aber leider auch mit einer weitgehend absehbaren Erzählung. Erst in den letzten 15 Minuten, mit einem spektakulären Kampf des Ronin gegen alle Samurai der Station, kommt Leben auf. Und der Schluss hat etwas überraschend Konsequentes. Als Abgesang auf den seltsamen Kodex einer Kaste (und eines Filmgenres) erinnert der Film an Clint Eastwoods Unforgiven von 1992.
Aber bei aller Schönheit und Sorgfalt zieht sich der Film doch in die Länge. Das mag mit den Genre-Erwartungen zusammenhängen, liegt aber wohl vor allem an der sehr simpel gestrickten Kerngeschichte, welche die üblichen Standardpunkte eines Lebens in Armut abhakt.
Dass jetzt ausgerechnet dieser Film von Miike im Wettbewerb gelandet ist, hat wohl mit beidem zu tun. Mit der überraschenden Ruhe und Simplizität, und mit der ikonoklastischen Intention, der Erkenntnis des Ronin, dass der Todes- und Tötungskult der Samurai Unsinn sei, dass er in Ruhe sein Leben leben wollte und auf den Frühling warten.