Filme über die Aussenseiter in der Highschool haben eine eigene Tradition in den USA. Der Klassiker ist John Hughes The Breakfast Club, am extremen Ende finden sich Satiren wie Heathers und im Mittelfeld all die Highschool-Filme wie Mean Girls. Im Wettbewerbsbeitrag vom New Yorker Azazel Jacobs ist Titelfigur Terri (Jacob Wysocki) der zentrale Aussenseiter. Ein grosser Kloss von einem Jungen, der bei seinem schon leicht alzheimerkranken Onkel James lebt und mittlwerweile nur noch im Pijama zur Schule geht, weil ihm andere Kleider kaum mehr passen.
Terri wird gehänselt und verspottet von seinen Mitschülern und daher beginnt er zu schwänzen und zu spät zu kommen. Bis der von John C. Reilly gespielte Vize-Rektor auf ihn aufmerksam wird und ihn regelmässig am Montagmorgen zu sich ins Büro einlädt für einen Austausch „unter Männern“. Das hilft Terri allerdings nur so lange, bis er merkt, dass er nicht der einzige Spezialklient von Mr. Fitzgerald ist, sondern einer einer ganzen Gruppe von „Monstern“, wie er selber meint.
Letztes Jahr war John C. Reilly einer der Ehrengäste des Festivals von Locarno, und er war da mit dem Film Cyrus, in dem er auch schon den Mentor (und Gegenspieler) eines extrem schwergewichtigen Jungen spielte. Als Mr. Fitzgerald hier gibt er einen Lehrer, wie es sie wohl nur selten gibt: Exterm verständnisvoll, kumpelhaft und routiniert. Gleichzeitig bemüht sich das Drehbuch, die Rolle nicht zu idealisieren. Fitzgerald hat Eheprobleme, seine Methoden stossen auch bei Terri auf Widerstand, vor allem, weil der zuerst darüber hinweg kommen muss, dass er nicht der einzige spezielle Freund des Vize-Rektors ist.
Bald bilden Terri, der hypernervöse Chad und die sexuell abenteuerlustige und daher auch zur Aussenseiterin gewordene Heather (der Name dürfte eine Hommage an den Film mit Winona Ryder sein) ein eigenes kleines Universum der Misfits, das sich umkreist, anzieht und abstösst.
Hier geht Azazel Jacobs über das Genreübliche hinaus, indem er die Teenager tatsächlich Dinge tun lässt, welche die Komfortzone des Unterhaltungskinos verlassen. Allerdings, und das ist die Schwäche dieses ansonsten sehr schön und dicht gebauten Films, fürchtet man kaum je für eine der Figuren. Insbesondere Terri, der sanfte Riese, wird von Anfang an als Mensch eingeführt, der sehr reflektiert und reif mit sich selber umgeht. Gleichzeitig ist der Film randvoll mit komischen und absurden Momenten, und mit kleinen Beobachtungen, insbesondere rund um Mr. Fitzgerald herum, die das Ganze zu einem kunstvoll verdichteten kleinen Erlebnis machen.
Im Rahmen des diesjährigen Wettbewerbs von Locarno ist Terri der bisher rundeste, am besten inszenierte und geschriebene Film, mit einer schmerzlich poetischen Ebene. Und schauspielerisch ragt er über die Konkurrenz hinaus.
Völlig deiner Meinung. Selbst John C. Reilly, mit dem ich seit „Magnolia“ nichts mehr anfangen kann, gefällt mir hier sehr gut.