Locarno 11: ONDER ONS von Marco van Geffen

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Die Grundidee dieses holländischen Wettbewerbsbeitrags ist raffiniert: Eine Geschichte stummer Angst, in wechselnder Perspektive erzählt, bis zum bitteren Ende. Die junge Polin Ewa ist als au pair-Mädchen nach Holland gekommen, bei dem jungen Paar, deren kleinen Sohn sie hütet, fühlt sie sich wohl, auch wenn sie so scheu ist, dass ihr kaum ein Wort zu entlocken ist.

Vor allem die hochschwangere Frau hat ein wenig Mühe mit dem stummen Mädchen, das sich dafür umso hingebungsvoller um das Kleinkind kümmert. Als sich Ewa mit einem anderen polnischen au pair anfreundet, scheint sie etwas offener zu werden – bis sie den Kontakt wieder abbricht und immer verschlossener wird.

Das alles wird zunächst aus der Perspektive des jungen Paares erzählt, und die bekommen, wie das Publikum, bloss mit, dass Ewa etwas seltsam ungesrpächig ist und sich immer mehr eher unerklärliche Fehler leistet. zum Beispiel, dass sie mit dem Kleinen das Haus erst überhaupt nicht mehr verlässt und dann, nach einer Zurechtweisung, für viel zu lange.

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Dass in der Gegend ein Serienvergewaltiger Frauen umbringt, erfährt man en passant, ob das junge Paar es überhaupt wahrnimmt, bleibt offen. Irgendwann aber überkommt einen die Ahnung, dass Ewa die Identität des Mörders ahnt, und die Ahnung wird verdichtet, wenn der Film die Eriegnisse gerafft noch zweimal passieren lässt, aus Ewas Perspektive und aus jener ihrer Freundin.

Das wäre in seiner Konsequenz und vom langsamen Aufdeckungsrhythmus her ein kühler Thriller mit einer herzerwärmenden Hauptdarstellerin. Aber leider ist das Konzept zu durchsichtig, beziehungsweise, spannungspsychologisch nicht dicht genug aufgebaut. Zum einen basiert das ganze Drama darauf, dass Ewa ihren Verdacht nicht ausspricht, sondern lieber in Kauf nimmt, als unzuverlässig zu erscheinen, bis man sie zurück nach Polen schickt. Das passt nicht zur Intelligenz der Figur. zum anderen ist das Filmpersonal dermassen knapp bemessen, dass als Mordverdächtiger nur eine Figur in Frage kommt. Damit entfällt die schrittweise Auflösung offener Fragen, die Multiperspektive trägt wenig zur Auflösung der Geschichte bei.

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Funktioniert hätte der Film, wenn er konsequent Ewas Wahrnehmung unter dem Verdacht der Paranoia inszeniert hätte – wie Polanski seinerzeit Catherine Deneuve in Repulsion. So wie der Film jetzt aufgebaut ist, zeugt er von Talent und Stilwillen, aber auch von noch etwas unsicherer Schauspielerführung sowie mindestens einer Drehbuchfassung zu wenig.

Marco van Geffen
Marco van Geffen

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