Die Passion ist allgegenwärtig in Duisburg, als wahre Passion, als Passionsspiel, und natürlich als Passionsweg im Film von Joerg Burger, der in Trapani in Sizilien rund dreissig Stunden draufgehalten hat, zusammen mit Johannes Hammel an der zweiten Kamera. Ab Karfreitag tragen da zunächst vor allem Männer, Mitglieder der alten Innungen, später auch einzelne Frauen, enorm schwere Altäre mit Passionsgruppen durch die Stadt, mit ernstem Blick, Schweissperlen auf der Stirn und zunehmend schmerzverzerrten Gesichtern.
Burger bleibt dran, meist nur wenige Zentimeter vor den leise ächzenden Trägern, die HD-Cam auf der Schulter, im Rückwärtsgang, stellt man sich vor, und dies bis zum Ende der Prozession irgendwann bald 24 Stunden später. Im Katalog der Duisburger Filmwoche charakterisiert Burger das Geschehen lakonisch knapp:
Man sagt, eine Prozession in Sizilien, das ist wie eine Beerdigung im Zirkus. Und: dass die Anwesenheit der Kirche letztlich nur billig in Kauf genommen wird, wie eine alte Tante, die man einladen muss, da sie sonst beleidigt wäre.
Way of Passion ist ein purer, man könnte auch sagen: puristischer Dokumentarfilm. Dass er ohne Kommentar auskommt, versteht sich von selbst, dass kaum gesprochen wird ist schon eher ungewöhnlich, und dass schliesslich bloss zwei drei direkt in die Kamera gesprochene, mehr oder weniger unerhebliche Sätze untertitelt wurden, ist überraschend. Aber der Film leistet das Unerwartete. Man beginnt nicht nur mitzuleiden und das Pathos des masochistischen Gruppenrituals zu geniessen, man fängt auch an, seine eigenen Interpretationen in den Film hineinzuprojizieren. Und da wird es erst richtig spannend. Dass die Männer in ihren Anzügen samt und sonders aussehen wie Mafiosi in amerikanischen Filmen, dass manch einer Al Pacinos kleiner Bruder sein könnte, dass so viel verschworene Männerbündelei ganz sicher finstere Hintergründe haben muss, das gehört noch zu den vordergründigen Gedanken. In der Diskussion in Duisburg drehte sich bald einiges um die Körperlichkeit, die Tränen, die Umarmungen und die angebliche Homoerotik, die da – wahrscheinlich auch noch unbewusst! – ausgelebt würde.
Man könnte lachen, müsste man nicht leer schlucken. Denn das entlarvendste an dem Film ist, dass er uns aufzeigt, was für ein pseudoanthropologisches Instrumentarium wir mittlerweile spazieren führen. Wie schnell wir bereit sind, mit all unseren eingefuchsten und angelesenen Interpretationsstrategien der schieren Wirkung von abgebildeten Ritualen entgegen zu treten. Auch eine Passion. Der Film hat und zeigt eine andere, ganz nah, mit Distanz.