Erstaunlich viele Künstlerportraits sind zu finden im diesjährigen Programm der Filmtage. Aber das hat auch damit zu tun, dass in der Schweiz traditionellerweise viele Dokumentarfilme gedreht werden, und dass der Autoren-Film grundsätzlich eine selbstreferentielle Komponente hat. In anderen Worten: Jedes Künstlerportrait ist auch bis zu einem gewissen Grad ein Selbstportrait jener, die filmen. Das zeigt sich auch an Terra von Kevin Merz, der diesen Film seinem bei einem Unfall verstorbenen Luganeser Jugendfreund widmet. Weil der posthum Protraitierte nicht nur Künstler war, sondern auch Junkie, entwickelt sich diese Dynamik, die mich zuletzt in Duisburg bei Britta Wandaogos Nichts für die Ewigkeit erschüttert hat.
Als Zuschauer packt mich bei diesen Filmen immer das grosse Reissen, das Zerren zwischen der Wut über die Schwäche der Abhängigen und dem Verständnis für ihre Situation und ihren Hintergrund.
Letztlich ist es ja der Versuch, diese Spannung zu bewältigen, das Verständnis aufzubringen oder sich zu erarbeiten, das solchen Filmen das Leben einhaucht. Kevin Merz schafft das auf erstaunliche Weise, weil nicht nur die rückblickende Perspektive, geprägt von Trauer und Wut, zum Tragen kommt, sondern Szenen der Begegnungen mit dem Süchtigen, ein gescheiterter Versuch, in Genf einen Entzug zu machen, den die Freunde gemeinsam unternommen haben. Letztlich kommt der Gehirnkrampf immer dann, wenn man versucht, jemandem die „Schuld“ für das Elend zuzuweisen, wenn sich die Frage stellt, wer dafür haftet, wenn ein Mensch nicht heimisch wird in den Strukturen, die seine Umgebung zu bieten hat. Und da überschneidet sich Terra verblüffend mit Christine Reponds ebenfalls heute gezeigten Nicht das Leben – einem weiteren Künstlerportrait im weitesten Sinn.