Cannes 12: ANTIVIRAL von Brandon Cronenberg

Caleb Landry Jones
Caleb Landry Jones in 'Antiviral' von Brandon Cronenberg

Es braucht ein gesundes Selbstbewusstsein, um so nahtlos beim Frühwerk des eigenen Vaters anzuschliessen, wie das Brandon Cronenberg, der Sohn von David, mit Antiviral tut. Der Plot, das Drehbuch, die Inszenierung: Das alles könnte vom Vater sein. Allerdings ist das Thema absolut gegenwärtig und damit mindestens so faszinierend wie David Cronenbergs Filme wie Rabid oder Shivers im Vor-Aids-Zeitalter.

Antiviral spielt in einer nur ganz leicht in die Zukunft verschobenen Gegenwart, in der die Celebrity-Kultur so weit gediehen ist, dass sich die Fans bei einer Firma wie der Lucas-Clinic die Viren der Stars spritzen lassen, um deren Krankheiten spazieren zu tragen (nähme mich wunder, was die ähnlich klingende Basler Klinik davon hält). Und in spezialisierten Geschäften wird geklontes Muskelfleisch von den gleichen Stars verkauft, damit sich die Menschen ihre Idole regelrecht einverleiben können. Klassisch Cronenbergscher Body-Horror eben.

Syd March (Caleb Landry Jones) ist Berater und Verkäufer in der Virenklinik, wo ausschliesslich genmodifizierte Stämme gespritzt werden, Krankheiten, die nicht mehr übertragbar sind. Weil aber die Konkurrenz gutes Geld zahlt für die Krankheiten der Celebrities, die meist exklusiv bei einer Firma sind, schmuggelt Syd die Kulturen im eigenen Körper nach Hause und modifiziert sie seinerseits mit einem gestohlenen Prototyp der in der Klinik eingesetzten Maschine.

Bei den Krankheiten handelt es sich in der Regel um Harmlosigkeiten wie Herpes oder Grippe, wichtig ist das Gefühl, dem Star körperlich verbunden zu sein. Aber dann stirbt überraschend Hannah Geist, der Bestseller der Lucas Clinic, nachdem Syd noch eben bei ihr war, um ihre jüngste Grippe abzuholen – und sich natürlich einen Teil des Blutes wie gewohnt selber zu injizieren.

Caleb Landry Jones und Sarah Gadon
Caleb Landry Jones und Sarah Gadon

Antiviral ist Science Fiction vom Feinsten, die logische Weiterführung der Celebrity-Kultur und der Entwicklungen beim Klonen und genetischen Manipulieren. Brandon Cronenberg schafft es dabei wie seinerzeit sein Vater, die Balance zwischen körperlichem Unbehagen bei all dem Blut, den Nadeln, den seltsamen Wunden und wuchernden Fleischkulturen und der Faszination des Ganzen zu halten. Und dies mit einfachsten filmischen Mitteln. Der grösste Teil des Dekors scheint mehr oder weniger dem kanadischen Alltag zu entstammen, einzig ein paar Maschinen und Laboreinrichtungen wurden offensichtlich für den Film gebaut.

Wie meist bei Erstlingsfilmen ist das grösste Problem, dass er ein wenig ausufert und zum Ende hin noch Angsttriebe produziert. Aber er ist sorgfältig und überlegt produziert und geschnitten, und die – bis auf den unverwüstlichen Malcolm McDowell in einer seiner Automatenrollen – weitgehend noch unbekannten Schauspieler überzeugen.

Nun stellt sich wirklich die Frage, wohin sich der Sohn weiter entwickeln will und kann. Vater David hat mit zunehmendem Alter eklektischer  und intellektueller zu arbeiten begonnen, sein letzter Effort war die Psychoanalyse-Geschichte A Dangerous Method. Und am nächsten Freitag ist Vater Cronenberg im Wettbewerb von Cannes zu sehen, mit Cosmopolis.

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